Kürzlich stolperte ich in einer FB Gruppe über ein Posting. Es ging um einen großen und nicht ganz preiswerten Lautsprecher, in dem ein Koaxialchassis in einem einfachen DBR Gehäuse mit zum Boden gerichteten Port spielt. Dieser Thread motivierte mich dazu, auch mal etwas mit einem großen PA Koax zu versuchen. Leider bringen Chassis dieser Bauart, neben vielen theoretischen Vorteilen, oft zwei gravierende Nachteile mit. Erstens sind sie meist teuer, und zweitens gestaltet sich ihr TSP Satz häufig so, dass eine ausreichende Basswiedergabe nicht gelingt und ein Standalone Betrieb somit nicht sinnvoll ist. Nach einiger Recherche in den virtuellen Regalen der gängigen Hersteller wurde ich einmal mehr bei Lavoce fündig. Das Modell CSF122.50K bringt es auf 12 Zoll, und der TSP Satz verspricht in 90-100 Litern Basswiedergabe bis in Regionen im Bereich um 40 Hz. Interessant ist, dass das Chassis mitunter für unter 200,- Euro zu bekommen ist. Haptisch muss sich der Koax in keiner Weise verstecken. Wie immer bei Lavoce, ist alles sauber verarbeitet und macht einen guten Eindruck. Ok, für den aufgerufenen Preis bringt der CSF122.50K keinen Gusskorb mit. Der Stahlkorb ist aber clever gemacht und wirkt sehr stabil. So sind die Stege mit einem gestanzten Profil versehen, welches zusätzliche Stabilität verleiht. Da es bei einem Koax bauartbedingt keine Polkernbohrung zur Kühlung der Schwingspule gibt, wird diese durch eine Vielzahl von seitlichen Bohrungen im Korb gewährleistet. Eine 2,5 Zoll Schwingspule, 6,25mm lineares Hubvermögen und ein Kennschalldruck von über 96dB sind für gehobenes Power HiFi mehr als nur ausreichend.
Lavoce CSF122.50K
Eine Simulation mit dem MJK Sheet zeigt die Performance des Chassis in einem 100 Liter großen Volumen:
CSF122.50K in 100 Litern BR
Die nächste Frage, die es zu beantworten galt, war die nach der Ausführung des Gehäuses. Natürlich wäre es ein Einfaches gewesen den üblichen Weg zu gehen, aber ich wollte mal etwas anderes machen, als den möglichst schmalen und einen Meter hohen Quader. Ein solcher hätte unter anderem dazu geführt, dass sich das Zentrum des Hochtöners bedingt durch die Größe des 12″ Chassis irgendwo im Bereich 80cm befunden hätte. Bei der zu erwartenden kräftigen Bündelung würde das nicht den cleversten Weg darstellen. Nahezu zeitglich stieß ich auf einen Entwurf eines Mitglieds der FB Gruppe des Akustischen Untergrunds. Die Grafik zeigte eine etwas kürzere, nach hinten geneigte Box mit schicken Standfüßen und breiter Schallwand, ähnlich den Heco Einklang Lautsprechern. Irgendetwas in dieser Richtung sollte es werden, und in meinem Kopf reiften Ideen für die Umsetzung heran. Wie der Zufall es wollte, konnte ich unweit meines Wohnorts 9m² MDF in 22mm Stärke zum Preis von 10,- Euro pro m² ergattern. Dem Projekt stand nichts mehr im Wege. Der Umstand, dass ich die beiden Chassis als günstige Ausstellungsstücke bekommen konnte, ließ die Laune und die Lust auf die Ka’ena Point nochmals wachsen.
Nach einigen Tagen in meiner Werkstatt standen letztlich zwei imposante und schwere Gehäuse im Raum, für die mir Andreas, ein befreundeter Möbeltischler, eine kosmetische Behandlung anbot. Für den Bau seiner eigenen Kaimana hatte er seinerzeit einen Abrundfräser mit 50mm!!! Radius angeschafft. Mit genau diesem Ungetüm wurden die seitlichen Kanten meiner Gehäuse verrundet. Nur am Rande sei angemerkt, wie schnell, einfach und präzise so etwas mit professionellem Werkzeug vonstatten geht.
Abrundfräser R=50mm
Abrundfräser R=50mm Größenvergleich
Gehäuse Ka’ena Point Rohversion
Die Bedämpfung der Gehäuse gestaltet sich recht einfach, und sie wurde bereits während des Aufbaus vorgenommen. So wurden die Seiten, die Rückwand und der Boden mit Fibsorb50 ausgekleidet. Auf den Deckel kam Fibsorb100, und in den IHA Polyesterwatte, leicht gepresst.
Ka’ena Point Bedämpfung Boden, Rück- und Seitenwände
Ka’ena Point Bedämpfung unterhalb des Deckels
Das war es auch schon, und es war an der Zeit, ein Chassis zu montieren und Messungen vorzunehmen.
Tieftöner Lavoce CSF122.50K unbeschaltet 0° – 90° (Fernfeld 1 Meter gefenstert)
Hochtöner Lavoce CSF122.50K unbeschaltet 0° – 90° (Fernfeld 1 Meter gefenstert)
Sowohl die Messungen des Tieftonparts als auch die des Hochtöners bieten keinen Anlass zur Kritik. Bis rund 1,5kHz ist daer Frequenzverlauf des Tieftöners problemlos. Lediglich unter 90° stellt sich, bedingt durch die breite Schallwand, eine kleine unbedeutende Interferenz ein. Beim Hochtöner verhält es sich ähnlich gut. Auf Achse gibt es ein wenig Unruhe bei 5-6kHz und 9,5kHz. Bereits unter einem Winkel von 15° lösen die sich auf, und das gute Verhalten zieht sich bis zum größten Messwinkel von 90° durch. Nicht nur für einen großen Koax ist dieses Verhalten sehr gut.
Mit den obigen Messungen war schnell eine Schaltung gefunden, die einen sehr guten Eindruck hinterließ. Nachdem diese auf dem bewährten Weichenbrett gesteckt wurde, gab es zunächst klangliche Ernüchterung. Nein, das war nicht grottenschlecht. Irgendetwa störte aber bei gewissen Songs, die zu denen gehören, mit denen ich meine Entwicklungen vornehme. Nach einer gewissen Zeit des Optimierens wurde dies zwar besser, aber es überzeugte mich nicht so recht. Also wurde die Simulationsmaschine in Form von VituixCAD erneut beauftragt, und heraus kam eine veränderte Topologie des Weichenlayouts. Dieses ließ meinen Kopf bei den ersten Takten der gewohnten Songs nicken, aber je länger ich hörte, desto mehr Details fielen mir auf, die mir nicht erlaubten, die Entwicklung als final zu bezeichnen. Da brachten auch leicht angepasste Bauteilewerte keine wohlwollende Entscheidung. Also wurde VituixCAD ein drittes mal geföffnet und eine vollkommen neue Topologie entstand. Diese ist, vor allem im Hochtonbereich vollkommen anders, und obwohl die Schaltung einfacher und preiswerter ist, brachte sie den Durchbruch. Das klang auf Anhieb richtig gut. Im Laufe der Hörsessions wurde ein Bauteilewert im Vergleich zu denen aus der Simulation angepasst. Das klang noch etwas besser und brachte einen Hauch mehr Ruhe ins Klangbild.
Ka’ena Point finale Simulation
Inzwischen sollte sich in der DIY-Szene herumgesprochen haben, dass Simulationen bei sorgsamer Erfassung und Aufbereitung der Messdaten mit den späteren Messungen nahezu deckungsgleich übereinstimmen. So verhält es sich selbstverständlich auch bei der Ka’ena Point.
Ka’ena Point gefensterte Messungen 0° – 90° (ohne Tiefbassanteil)
Ka’ena Point gefensterte Messung 0° + Einzelzweige
Die obige Achsenmessung incl. der Einzelzweige zeigt eine phasenrichtige Addition im Bereich der Trennfrequenz bei ca. 1,4kHz mit einem Schnittpunkt der Einzelzweige 6dB unterhalb der Summenkurve. Knapp oberhalb von 3kHz ist eine ganz kleine Phasenschweinerei zu sehen, welche durch die in dem Bereich aufbäumende Flanke des TT hervorgerufen wird. Akustisch ist diese rund 35dB unterhalb des Nutzpegels liegende Zacke definitiv nicht hörbar, weswegen auf drei weitere Bauteile zur Unterdrückung verzichtet werden konnte.
Ka’ena Point Impedanzverlauf + Phase
Der Verlauf der Impedanz ist völlig unkritisch. Der Lautsprecher ist eher hochohmig, so dass jeder ordentliche Verstärker harmonieren wird. Schön zu sehen ist die Abstimmung auf knapp unter 45 Hz.
In Punkto Klirrverhalten gibt sich die Ka’ena Point ebenfalls von der Sonnenseite. Gemessen habe ich den Lautsprecher von 90dB – 105dB in 1 Meter Entfernung.
Ka’ena Point Klirr @ 90dB
Ka’ena Point Klirr @ 95dB
Ka’ena Point Klirr @ 100dB
Ka’ena Point Klirr @ 105dB
Naturgemäß steigt der Klirr bei sehr hohen Pegeln ein wenig an, bleibt jedoch im unkritischen Bereich.
Ka’ena Point Weichenplan
Die Weiche der Ka’ena Point gestaltet sich bei genauem Hinsehen als recht einfach. Im Tieftonzweig gibt es ein Filter 4. Ordnung, bei der die nachfolgende Spule zum ersten Parallelkondensator eine Resonanz in der abfallenden Flanke wirksam unterdrückt. Dem zweiten Kondensator ist ein Widerstand nachgeschaltet, der den Bereich, in welchem die Flanke abzufallen beginnt, ein wenig abflacht. Der Saugkreis eliminiert einen Buckel bei etwa 500 Hz, und schlussendlich folgt eine Impedanzlinearisierung, die für die korrekte Funktion des Tiefpasses sorgt. Der Hochtöner begnügt sich mit einem Filter 3. Ordnung und einem kleinen Sauger, der ein kleines Plateau, welches den Verlauf des Energiefrequenzgangs trübte, einebnet. Ein Spannungsteiler sorgt für richtige Pegelverhältnisse.
Ka’ena Point Weiche
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Ka’ena Point Bauplan (vergrößern -> rechte Maustaste -> Bild in neuem Tab anzeigen)
Hier noch ein Foto des Gehäuseaufbaus. Es fehlen noch die 18mm Dreiecksleistchen zur Hinterfütterung der Verrundung. Diese sind weiter oben auf einem der Fotos zur Bedämpfung und als Detail im Bauplan ersichtlich. Wie immer empfiehlt es sich, vor Anfertigung der Chassisfräsungen die tatsächlichen Maße des Chassis zu überprüfen.
Ka’ena Point Gehäuse Aufbau
Für meinen Aufbau habe ich diesen preiswerten Port in voller Länge verwendet, was hinsichtlich der Abstimmung zu einer Punktlandung geführt hat. Natürlich können auch alternative Ports verwendet werden. Die vorderen Füße kommen vom Hersteller Gedotec und sind 130mm hoch. Hinten habe ich einen ausladenden Fuß mit 100mm Höhe montiert. Insgesamt ergibt sich so eine kleine Neigung der Lautsprecher, die für ausgewogenen Klang am Hörplatz sorgt. Selbstverständlich sind auch alternative Lösungen möglich. Die Neigung sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden.
Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.
Wie klingt es denn so?
Die Ka’ena Point klingt im ersten Moment zunächst unauffällig, mit recht kräftigem und tiefem Bass. Die Abstimmung ist sehr ausgewogen und neutral, wie man es von meinen Lautsprechern kennt. Die Bühnendarstellung und Ortbarkeit einzelner Instrumente und Stimmen gelingt extrem gut. Punktschallquelle eben. Dreht man den Pegelsteller im Uhrzeigersinn, wird es laut bis sehr laut. Die Ka’ena Point bleibt sauber am Ball. PA-Chassis eben. Da geht mächtig was. Da können Auseinandersetzungen mit der Nachbarschaft in greifbare Nähe rücken, wenn man es denn übertreibt. Die Ka’ena Point ist ein Lautsprecher, der die feinen und leisen Töne ebenso beherrscht, wie eine ordentliche Wall of Sound.
6 Kommentare
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Ich schrieb ja bereits in der Facebookgruppe, wie angetan ich von der Ka’ena Point bin.
Ich hab diese Gutmütigkeit von einer solchen Konstruktion auch einfach nicht erwartet – ich hätte mit mehr Kompromissen gerechnet.
In sofern hier nochmal:
Hut ab, da muss eigentlich jeder Lieberhaber von Punktschallquellen sofort ins Grübeln kommen.
Autor
Hi, bei der Auswahl des Chassis habe ich zunächst das größte Augenmerk auf die TSP gelegt. Die im Datenblatt veröffentlichten Frerquenzdiagramme stellten auch ein gutes Verhalten in Aussicht. Die Möglichkeit, ein Paar der CSF122.50K als vergünstigte Ausstellungsstücke mit voller Garantie ergattern zu können, hat meinen Finger recht schnell auf den Bestell-Button klicken lassen. Dass das Resultat aber bei vergleichsweise moderater Beschaltung so gut werden würde, hätte ich auch nicht geglaubt. Da habe ich mit größeren Kompromissen gerechnet.
Danke für die Blumen und viele Grüße
Alex
Can I use this filter without any alterations if I want to place this speaker in an open baffle that will match the geometric dimensions of the front panel of this case?
Autor
Unfortunately this is not possible.
Hallo Alex,
Glückwunsch zu diesem wirklich gelungenen Lautsprecher!
Gibt es bei dir Überlegungen, den Hochton noch weiter zu optimieren, etwa durch das Entfernen der Dustcap etc.? Bei einem vergleichbaren Coax hat sich das bei mir sehr positiv ausgewirkt.
Gruß
Anton
Autor
Hallo Anton,
es besteht keinerlei Grund, den Hochtonbereich zu optimieren. Wäre es nötig, würde das über eine Veränderung der Beschaltung geschehen, aber keinesfalls durch eine Entfernung der Dustcap. Dadurch würde das schöne Chassis in meinen Augen verschandelt, und das möchte ich auf keinen Fall.
Viele Grüße Alex