Zurück zu Messen und Simulieren

Nah- und Fernfeld in ARTA fügen

Im ARTA Kompendium findet der User eine ausführliche Anleitung zum Fügen von Nah- und Fernfeldmessungen eigens gemessener Frequenzgänge. Diese Anleitung setzt äusserst akribischen und in der Praxis kaum zu bewerkstelligenden Umgang mit den Messabständen voraus. Daraus resultiert, dass unter Anwendung des im Kompendium beschriebenen Formelwerks beim Fügen der Frequenzgänge in fast allen Fällen händisch nachskaliert werden muss.

In dieser kurzen Abhandlung erläutere ich am Beispiel eines Transmissionline-Lautsprechers (mit klassischem TML Loch) meine vereinfachte Vorgehensweise beim Fügen von Port- Nah- und Fernfeldmessungen, welche zu einer bei Verwendung in Simulationsprogrammen ausreichenden Genauigkeit führt.

1. Anfertigen der Einzelmessungen

Zunächst fertigen wir im gewohnten Messaufbau Messungen im Fernfeld (ggfs. auch Winkelmessungen), im Nahfeld und vom Port an.

 Fernfeld Fernfeld

NahfeldNahfeld

PortPortmessung

2. Vorbereitungen zum Skalieren

Um ein händisches Nachskalieren beim Fügen zu vermeiden gehen wir einen kleinen, aber nützlichen Umweg und laden in ARTA im Fenster „Impulse Response“ über die Funktion „Open“ zunächst die Nahfeldmessung.

Impuls Nahfeld

Mit einem Klick auf „FR“ wechseln wir ins Fenster „FR Magnitude“ und sehen unseren gemessenen Nahfeldfrequenzgang.

Nahfeld

Diese Kurve zeigt den Nahfeldfrequenzgang ohne die Einflüsse der Schallwand. Deswegen nehmen hier als erstes eine entsprechende Korrektur vor. Wir klicken im Menü „Edit“ auf „LF box diffraction“ und geben die Maße unserer Schallwand ein. Nach einem Klick auf „OK“ wird der Frequenzgang korrigiert dargestellt.

Nahfeld bs korrigiert

Diese Darstellung speichern wir als Overlay.

Als nächsten Schritt schließen wir das Fenster und befinden uns wieder im Fenster „Impulse Response“. Nun laden wir über die Funktion „Open“ die Fernfeldmessung. Wir setzen zunächst WILLKÜRLICH ein Gate, welches zu einer sinnvollen Darstellung des gemessenen Frequenzganges ohne Raumeinflüsse führt. Dafür positionieren wir den Marker (rot) kurz vor die erste Reflektion, den Cursor (gelb) setzen wir irgendwo in den Bereich vor den Impuls, oder einfach mittels Drücken der Taste „Pos1“ auf Sample 300. Die Phaseninformation lassen wir noch völlig ausser Acht.

Gate Fernfeld

Mit einem Klick auf „FR“ wechseln wir wieder in das Fenster „FR Magnitude“. Dargestellt werden nun zwei Kurven, nämlich unser korrigierter Nahfeldfrequenzgang und die Messung des gefensterten Fernfeldfrequenzganges. Um beide kurven im Fenster gleichzeitig sehen zu können kann es notwendig sein, die Darstellung mittels der „FIT“ Pfeiltasten oben rechts ein wenig zu verschieben.

Nah vs FernfeldWie wir nun sehen, liegen die beiden Kurven in unserem Beispiel über 30dB auseinander. Im Menu „Edit“ klicken wir nun auf „Scale Level“ und geben 33dB ein, was in etwa passen könnte.

Nah vs Fernfeld erste skalierungNun sind wir schon sehr nah am Ideal, aber im Bereich von ca. 300 Hz, unserem avisierten Fügungsbereich, passts noch nicht so ganz. Wir skalieren also noch ein wenig nach, indem wir nochmal 0.8dB hinzu geben.

Nah vs Fernfeld korr. skalierung

Hurra, nun passen die Frequenzgänge bei der avisierten „Fügungsfrequenz“ von ca.300Hz sehr gut zusammen. Alles, was wir bislang getan haben, diente nur dazu, den Pegelunterschied bei der „Fügungsfrequenz“ zu ermitteln, und alles was wir uns merken müssen ist, dass wir später beim „ernsthaften“ Fügen den Pegel des Nahfeldfrequenzganges um 33.8dB verringern müssen.

3. Skalieren von Port- und Nahfeld zueinander

Da in 99,9% aller Fälle die Abstrahlflächen von Chassis und Membran deutlich voneinander abweichen, müssen ihre Pegel zueinander skaliert werden. Dazu laden wir in ARTA im Fenster „Impulse Response“ über die Funktion „Open“ zunächst die Portmessung (PIR) unseres Chassis.

Impuls PortMeine Erfahrung sagt mir, dass die Anwendung der im Kompendium angegebenen Formel zur Skalierung von Nahfeld- und Portmessung eine hinreichende Genauigkeit liefert. Seien wir ehrlich, hat es wirklich sehr viel Aussagekraft, ob der Frequenzgang unterhalb von 50 oder 60 Hz vielleicht um +/- 1dB von der Realität abweicht? Raumeinflüsse dürften in diesem Bereich ohnehin die wesentliche Rolle spielen. Für die Richtigkeit späterer Simulationen ist das ebenfalls huppe. Voraussetzung für eine möglichst hohe Genauigkeit ist, dass das Mikrofon bei der Nahfeldmessung möglichst nah (ca. 1 mm) vor der Membran steht und ebenfalls vor dem Port in etwa mit dessen Öffnung abschließt.

Mit diesem Wissen wagen wir nun die Pegelanpassung zwischen Port- und Nahfeldmessung. Dazu benötigen wir die Fläche der Portöffnung sowie SD des Chassis. Bei unserer Transmissionline lauten diese 76cm² für den Port und 95cm² für SD des Chassis. Im Menü „Edit“ Unterpunkt „Scale Magnitude“ geben wir nun die Formel mit den Werten für die Flächen wie folgt ein:

Pir scaling Portund bestätigen mit OK. Die Pegelanpassung ist nun vorgenommen.

Mittels der „Load & Sum“ Funktion in ARTA laden wir nun die Nahfeldmessung zu der noch geöffneten Portmessung.

4. Skalierung des Nahfeldpegels auf Freifeldniveau

Wie wir aus unserer eingangs durchgeführten Hilfslösung wissen, muss der gemergte Pegel aus Nahfeld und Port in unserem Beispiel um 33.8dB auf das Niveau der Fernfeldmessung verringert werden.

Über Das Menu „Edit“ Unterpunkt „Scale Magnitude“ ist dies problemlos mittels folgender Formel möglich:

Skalierung Nahfeld auf Fernfeld

Um eine einwandfreie Funktion unserer aufbereiteten Messung in einem Simulationsprogramm zu gewährleisten ist es notwendig, dass die Phaseninformation auf dem Weg von den Einzelmessungen bis zur gefügten Messung nicht verloren geht.

Folgende 5 Schritte sind notwendig um die Phaseninformation korrekt zu transportieren:

  1. Klick auf „Max“, durch welchen der Cursor (gelb) aufs Impulsmaximum gesetzt wird
  2. Klick auf „Set“, um den Marker (rot) genau an dieser Stelle zu positionieren
  3. Klick auf „Pos 1“ (auf manchen Tastaturen auch „Home“), um den Cursor auf Sample 300 zu setzen
  4. Klick auf „Get“, um den Wert des Delays zu erhalten
  5. Klick auf „Del“, um den Marker wieder zu löschen

5 SchritteNun wechseln wir wieder ins Fenster „Impulse Response“ indem wir „FR“ klicken. Angezeigt bekommen wir nun den gemergten Frequenzverlauf von Port und Nahfeldmessung unseres Lautsprechers. Jetzt unbedingt den Darstellungsmodus Magnitude und Phase „M+P“ in der linken unteren Bildecke aktivieren.

Ferner müssen wir noch die Schallwandeinflüsse ausblenden, wie wir es einige Schritte zuvor schon einmal erledigt haben. Dazu klicken wir im Menü „Edit“ auf „LF box diffraction“, geben die Maße unserer Schallwand ein und bestätigen mit „OK“. In der Darstellung erhalten wir nun den korrigierten Frequenzgang, der für unser weiteres Vorgehen relevant ist. Sehr schön sieht man das ebenso klassische wie gefürchtete „Transmissionline Loch“. Diese Kurve speichern wir nun unbedingt als Overlay ab.

Nahfeld bs korrigiert neu5. Fügen von gemergtem Nahfeld und der Fernfeldmessung

Wir schließen als nächsten Schritt das „FR Magnitude“ Fenster und gelangen automatisch zurück in das „Impulse Response“ Fenster. Dort laden wir über „Open“ unseren gemessenen Fernfeld PIR. Diesen müssen wir selbstverständlich aufbereiten indem wir die Raumeinflüsse durch Setzen eines Fensters ausblenden und gleichzeitig die korrekte Phaseninformation transportieren.

Es ist also wieder notwendig, die obigen 5 Schritte zu durchlaufen und um einen 6. Schritt zu erweitern.

Also gehen wir wie folgt vor:

  1. Klick auf „Max“, durch welchen der Cursor (gelb) aufs Impulsmaximum gesetzt wird
  2. Klick auf „Set“, um den Marker (rot) genau an dieser Stelle zu positionieren
  3. Klick auf „Pos 1“ (auf manchen Tastaturen auch „Home“), um den Cursor auf Sample 300 zu setzen
  4. Klick auf „Get“, um den Wert des Delays zu erhalten
  5. Klick auf „Del“, um den Marker wieder zu löschen
  6. Setzen des Markers (rot) vor die erste Reflektion mittels der rechten Maustaste

Schritt 6

Ein Klick auf „FR“ wechselt wieder in das „FR Magnitude“ Fenster mit nun folgender Abbildung:

überlagerung Nah und FernWir sehen, dass die beiden Frequenzkurven im Bereich der angestrebten „Fügungsfrequenz“ um ca. 300 Hz quasi deckunsgleich verlaufen. Um die beiden Kurven an genau dieser Stelle miteinander zu verheiraten setzen wir eben genau dort den Cursor (gelb).

Im Menü „Edit“ wählen wir nun die Funktion „Merge Overlays below Cursor“. Danach löschen wir das Overlay durch einen Klick auf „Delete last Overlay“ im Menü „Edit“.

Gesamtfrequenzgang neuÜbrig bleiben der aus Fernfeld-, Nahfeld- und Portmessung zusammengesetze Gesamtfrequenzgang und die Phaseninformation, welche ein korrektes Arbeiten in einem Simulationsprogramm ermöglichen.

Über die Menüpunkte „File“ -> „Export“ -> „ASCII file“ ist die direkte Speicherung als .frd Datei möglich.

Viel Erfolg!

Quellen: ARTA Kompendium,  fernmündlicher und schriftlicher Austausch mit dem User gazza aus dem D. A. U. Forum
ARTA ist ein Programm, welches von Ivo Mateljan entwickelt wurde und unter www.artalabs.hr als kostenlose Demoversion heruntergeladen werden kann. Eine Lizenz zur Nutzung als Vollversion kann ebendort erworben werden.

 

 

 

 

 

2 Kommentare

    • Ulrich Höckmann auf 10. Januar 2020 bei 16:50

    Hallo, Donhighend,
    vielen Dank für die sehr praxisnahe und verständliche Darstellung dieser doch recht komplexen Vorgänge.
    Durch diese Art von „Nachhilfe“ wird für die weniger ausgefuchsten Lautsprecherenthusiasten ein Grad von Entwicklungsmöglichkeiten ermöglicht, der sonst eindeutig Profis vorbehalten ist.
    Herzlichen Dank!
    Viel Grüße

    • admin auf 10. Januar 2020 bei 17:03
      Autor

    Hallo Ulrich,

    vielen Dank für die Blumen…

    Viele Grüße

    Alex

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.