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elVIS

Aus einem Abverkauf wegen Geschäftsaufgabe konnte ich kürzlich ein Paar Visaton SL87 FE zum Preis einer Packung Zigaretten ergattern. Optisch sind die kleinen Breitbänder mit ihrer glänzenden Polypropylenmembran trotz des Ohrenkorbes gar nicht so übel, und auch die im Datenblatt veröffentlichten TSP sind brauchbar. Klar, mit einer ausgewiesenen Fs von 120 Hz und einem Qts von 0,65 lassen sich keine Bäume ausreißen, aber das wird von einem 3,4 Zöller auch niemand ernsthaft erwarten.

Visaton SL87 FE

 

Schnell habe ich nach dem Auspacken eine TSP Messung vorgenommen, um die im Datenblatt angegebenen Werte zu verifizieren. Ja, es gibt Abweichungen, die jedoch verschmerzbar sind. Fs liegt mit gut 114,4 Hz erfreulicherweise etwas tiefer, Qts und Vas sind etwas höher.

Visaton SL87 FE TSP out of the Box

 

Unterm Strich führen die gemessenen TSP zu einer nahezu identischen Abstimmung wie mit den Angaben im Datenblatt. Wie aber soll die aussehen, mit einem Fs von rund 115 Hz und einem Qts von knapp unter 0,7? In diesem Fall heißt die Zauberformel BRHP, was für Bassreflex mit Hochpasskondensator steht. Dafür dimensioniert man dem zu verwendenden Chassis ein Volumen auf den Korb, welches in etwa dem dreifachen Wert von Vas entspricht. Genau kann man das optimale Volumen mit dieser Faustformel nicht bestimmen, jedoch ist der Wert aus dieser Multiplikation eine sinnvolle Basis für eine Gehäusesimulation, in der man das Zusammenspiel aus Volumen, Abstimmfrequenz und Wert des HPC optimiert.

Dies geschah im Falle von elVIS‘ Behausung mit dem Enclosure Tool von VituicCAD. Mit 6 Litern Luft im Rücken, einer Abstimmfrequenz von 68Hz und 500µF kapazitiver Unterstützung spielt der kleine Haaner mit etwas abfallender Flanke bis ca. 65Hz. Das passt wie Faust auf’s Auge, oder wie Box auf Desktop.

Simulation (VituixCAD Enclosure Tool) Visaton SL87 FE in 6 Litern BR vs. BRHP

 

Die obige Grafik zeigt das Verhalten des SL 87 FE in 6 Litern BR mit und ohne HPC. Der Wert des Kondensators betrug in diesem Beispiel 500µF. Die Bandbreite der möglichen Kapazitätswerte reicht von 330µF – 820µF, ohne dass starke Abweichungen die Folge wären. Der große Vorteil dieser Tatsache ist, dass sich ein Quasi-bipolarer Elko durch einfache Reihenschaltung zweier unipolarer Elkos für ein paar Cent zusammensetzen lassen. Dazu werden zwei unipolare Elkos an den Minuspolen in Reihe verlötet. Die beiden Pluspole bilden dann den bipolaren Elko. Durch die Reihenschaltung halbiert sich der Nennwert der einzelnen Elkos, so dass sich Werte zwischen 680µF und 1500µF für eine Reihenschaltung eignen. Natürlich kann der HPC auch komplett entfallen. Ggfs. kann dann der Port um vielleicht einen Zentimeter gekürzt werden.

In meiner Werkstatt halte ich den Vorrat an Plattenmaterial zwar eher klein, aber ein paar Abschnitte aus vorherigen Projekten oder günstige kleine Platten aus der Restekiste des örtlichen OBI sind immer vorhanden. Diese reichten für zwei kleine Spanplattenkistchen, für deren Schallwände ich sogar noch einen  MDF Rest hatte. Perfekte Voraussetzungen für einen schnellen Start. Schnell waren Messungen des kleinen Breitbänders im Kasten.

elVIS 0° unbeschaltet (Nahfeld unter 300 Hz gefügt)

 

elVIS 0° – 90° unbeschaltet (Nahfeld unter 300 Hz gefügt)

 

Der Frequenzgang verläuft bis etwa 8 kHz sehr ordentlich. Sehr deutlich zeichnet sich die Stufe durch den Effekt des Baffle Steps zwischen 600 Hz und 1 kHz ab. Unterhalb dieses Bereichs reduziert sich der Pegel um 6dB. Natürlich kann man einen solchen Frequenzverlauf mit wenigen Bauteilen so korrigieren, dass sich ein erträgliches Ergebnis einstellt. Um jedoch einen unter HiFi Gesichtspunkten guten Frequenzgang und auch eine ordentliche Energieabgabe zu erreichen, sind ein paar Bauteile mehr notwendig. Die resultierende Simulation kann sich aber auch sehen lassen.

elVIS Simulation 0° beschaltet (Nahfeld unter 300 Hz gefügt)

 

elVIS Simulation 0° – 90° beschaltet (Nahfeld unter 300 Hz gefügt)

 

Wie immer war es nun an der Zeit, die Richtigkeit der Simulation mit Messungen zu belegen.

elVIS Messung 0° (Nahfeld unter 300 Hz gefügt) + Impedanzverlauf

 

elVIS Messung 0° – 90° (Nahfeld unter 300 Hz gefügt)

 

Obwohl es eigentlich keiner Erwähnung mehr bedarf, sei erwähnt, dass die Simulation und die reale Messung übereinstimmen. Auf Achse und unter 15° steigt der Hochtonpegel ein gutes Stück an. Unter 30° verläuft die Frequenzgangkurve nahezu linear bis in den Hochtonbereich. Ein ideales Maß an Hochtonenergie sollte sich unter Abhörwinkeln zwischen 15° und 30° einstellen. Hier darf durchaus der persönliche Geschmack entscheiden. Hinsichtlich des HPC führen die weiter oben genannten Kapazitäten zu praktikablen Ergebnissen. Der HPC kann je nach Aufstellung auf einem Desktop oder einem wandnahen Regal und/oder nach persönlichen Vorlieben auch entfallen.

Trotz der gewissenhaften Beschaltung bleibt diese übersichtlich und einfach.

elVIS Weichenplan

Warenkorb PDF

Warenkorb für die Weichenteile der elVIS aus dem Quint-Store (Preisstand 10.06.2024)

 

Durch den Einsatz günstiger Bauteile bleibt die Korrekturschaltung mit etwa 12,- Euro preiswert. Die 0,68mH Spule in Reihe zum Chassis ist als I-Kernspule mit 0,7mm Draht ausgeführt. Im Saugkreis kommt ebenfalls eine I-Kernspule mit 0,7mm Draht zum Einsatz. Bei den Kondensatoren reichen Elkos, und bei den Widerständen sind 5 Watt Zementtypen vollkommen in Ordnung. Zum HPC gibt es ein Stückchen weiter oben eine detaillierte Erklärung.

Das Gehäuse wird aus 6 Brettchen zusammengesetzt. Eine weitere Versteifung ist bei den kleinen Dimensionen und dem kleinen Chassis nicht notwendig. Als Port wird einer mit 50mm Nenndurchmesser eingesetzt, wie sie z. B. unter den Bezeichnungen HP50, BR50 usw. angeboten werden, eingesetzt. Die wirksame Fläche ist bei diesen meist konisch zulaufenden Ports immer geringer als das Nennmaß. Dies wurde bei der Abstimmung berücksichtigt. Mit der Länge darf in Maßen durchaus experimentiert werden.

elVIS Bau- und Bedämpfungsplan (vergrößern -> rechte Maistaste -> Grafik in neuem Tab öffnen)

 

Wie bei all meinen Bauvorschlägen ist der obige Bauplan nicht maßstabsgetreu. Er dient nur zur Illustration der für den Aufbau notwendigen Maße, die selbstverständlich korrekt angegeben sind.

Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.

Was kann elVIS, und wofür ist er geeignet? Konzipiert als Desktoplautsprecher sollte man elVIS auch für diesen, oder einen ähnlichen Zweck einsetzen. Die Konstruktion mit dem fallenden Bassbereich ist genau für diesen Einsatzzweck optimiert. Es ist also sinnvoll, elVIS auf einem Desktop, oder in kleinen Nischen mit den Lautsprecher umgebenden Ecken etc. einzusetzen. Die Hörentfernung sollte nicht allzu groß sein, wobei elVIS auch kein Kopfhörer ist. Es ist auch denkbar, elVIS elektronisch unterhalb von 80-100 Hz zu entlasten und mit einem Subwoofer in einem kleinen 2.1 System zu betreiben. In all diesen und vergleichbaren Gegebenheiten musiziert elVIS neutral und sehr langzeittauglich. Über Bühne und Ortbarkeit muss man bei einer Punktschallquelle keine nennenswerten Worte verlieren. Der SL 87 FE gibt Stimmen sehr natürlich wieder. Wir haben es mit einem kleinen Lautsprecherchen für vielerlei Einsatzmöglichkeiten zu tun. Nur eines kann elVIS nicht. LAUT – Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Leisesprecher.

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