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Yps

Wir schreiben das Jahr 2020. Es ist der 20. Juni, um genau zu sein. Heute ist Sommersonnenwende, der  längste Tag des Jahres. Normalerweise genieße ich diese Jahreszeit. Man sitzt an langen Abenden irgendwo in einem Biergarten oder Außenrestaurant und genießt einfach die Zeit. In diesem Jahr ist das anders. Covid19 hat uns alle fest im Griff, und man ist gezwungen, seine Zeit anders zu nutzen. So habe ich die in meinem Vorrat befindlichen Chassis an meinem geistigen Auge vorbei ziehen lassen und überlegt, was ich denn mal so anstellen könnte. Also nix besonderes halt. Beschäftigungstherapie sozusagen. Einfach was kleines, für das sich mit den Plattenabschnitten und sonstigen MDF und Spanplattenresten in meiner Werkstatt noch ein Kistchen zusammendengeln lässt. Die virtuelle Reise der Chassis endete, als ein kleiner Bremer vor meinem Auge auftauchte. SPM-116/8 heißt das Tönerchen und stammt von Monacor. Ich erinnerte mich, in einem Magazin gelesen zu haben, dass das Teil Fullrange tauglich sein soll. Warum also nicht die Probe aufs Exempel machen? Das ist doch genau das richtige Gimmick, mit dessen Konstruktion ich mir die momentan viel zu viele Zeit vertreiben kann. Gimmick? Gab’s da nicht mal ein Heft mit einer genau so titulierten Beigabe? Richtig, „Yps“ hieß das Magazin, und es ist der Namensgeber für das folgende Projekt .

SPM-116/8

 

TSP

  • FS: 83,12 Hz
  • Mms: 3,91 Gr
  • Cms: 0,94 mm/N
  • Sd: 54,9 cm²
  • Vas: 3,87 Liter
  • Re: 7,39 Ohm
  • BL: 4,39 N/A
  • Qms: 2,54
  • Qes: 0,78
  • Qts: 0,59
  • Rms: 0,8 kg/s
  • Spl: 86,46 dB

 

Dieser TSP Satz qualifiziert den SPM-116/8 ganz klar für den Einsatz in einer TQWT. Aus einer solchen habe ich das Chassis leihweise heraus operiert. Es steckte nämlich in Gazzas Icebox, und die funktioniert als TQWT wunderbar. Natürlich wollte ich diese nicht kopieren, sondern dem Chassis ein möglichst kleines Volumen schenken, in dem es fullrange läuft. Eine Simulation in AJHorn wies ein 10 Liter großes BR Volumen als ideal aus, soweit man das für ein Chassis mit einem Qts von 0,59 überhaupt behauten kann.

AJHorn Simu SPM-116/8 in 10 Litern BR

 

Diese Simulation habe ich ebenfalls in das MJK Sheet übertragen, welches die Möglichkeit bietet, die exakten Gehäuseabmessungen, sowie die Positionen für Chassis und Port anzugeben. AJHorn 7 kann dies zwar auch, aber mir gefallen die Handhabung und auch die Genauigkeit der Simulation des MJK Sheets besser. Im Verlauf der Simulation habe ich die Dimensionen des Gehäuses sukzessive Zentimeter für Zentimeter reduziert und dabei auch die Positionen von Chassis und Port optimiert. Sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe konnte ich soweit reduzieren, dass sich erstens gelungene Proportionen ergeben und zweitens die Performance nahezu identisch bleibt. Das Volumen konnte so um rund 10% bzw. 1 Liter reduziert werden. Das mag im ersten Moment nach wenig klingen. Führt man sich aber einen handelsüblichen Tetra Pack vor Augen, fallen dessen Abmessungen bei einem kompakten Kistchen durchaus ins Gewicht.

MJK Simu SPM-116/8 in 9 Litern BR

 

MJK Simu SPM-116/8 Membran vs. Port

 

Durch geschickte Wahl der Positionen von Chassis und Port stellt sich eine saubere Abstimmung ein, die natürlich durch den TSP Satz des kleinen Bremers einen Ripple mitbringt. Dieser ist auch sehr willkommen, da er durch etwas mehr Fülle im Oberbass ein wenig mehr Tiefgang suggeriert, als tatsächlich vorhanden ist.

Die Messung des unbeschalteten Chassis lässt beim ersten Hinsehen die Vermutung aufkeimen, dass es im Hochtonbereich an Energie fehlen könnte.

SPM-116/8 unbeschaltet, Bass aus TSP (Freifeld)

 

Erst durch eine sinnvoll angepasste Beschaltung zeigt sich, dass dies nicht der Fall ist. Sie führt zudem zu einer leichten Anhebung am Ende des Übertragungsbereichs, was das Chassis zwar nicht zu einem Hochtonwunder werden lässt, aber zumindet auf Achse zu genug Hochtonanteil führt.

SPM-116/8 unbeschaltet vs. beschaltet, Bass aus TSP (Freifeld)

 

Da gibt es sicherlich schlimmeres, aber man könnte natürlich die Frage stellen, ob sie kleine Senke bei 3 kHz nicht vermeidbar gewesen wäre. Vermeidbar ist sie auf jeden Fall. Das würde aber nicht nur dazu führen, dass der Bauteileaufwand steigt. Es würde auch eine Aufweitung unter Winkeln verursachen, die genau in dem Bereich unangenehm klingt. In diesem Frequenzbereich ist das menschliche Ohr nämlich sehr empfindlich.

SPM-116/8 mit glattem Frequenzgang

 

Als nächstes wurde das Korrekturglied nach Simulation aufgebaut. So stand der Überprüfung der Simulation mit einer Messung nichts mehr im Wege. Erwartungsgemäß stimmt die Messung mit der Simulation überein.

Yps gefensterte Messung 0°

 

Unter Winkeln verschwindet die Senke bei 3 kHz vollständig.  Bei 30° verläuft der Frequenzgang an dieser Stelle linear. Unter größeren Winkeln bleibt die Aufweitung sehr klein.

Yps gefensterte Messung 0° – 45°

 

Eine gefügte Messung aus gefenstertem Fernfeld, Nahfeld und Portanteil zeigt ebenso eine hohe Übereinstimmung mit der Simulation.

Yps gefügte Messung 0° aus Fern und Nahfeld sowie Portanteil (Freifeld)

 

Was muss man aber mit einem solchen Chassis anstellen, damit ein so ausgewogener Frequenzgang resultiert? Klar, es bedarf einer Hand voll Bauteile. Da ist die Frage legitim, ob sich der betriebene Aufwand bei einem so günstigen Chassis wie dem SPM-116/8 lohnt.

Yps Korrekturglied

 

Warenkorb für die Weichenteile der Yps im Quint-Store (Preisstand 20.06.2020)

 

In meinen Augen lohnt sich der „Aufwand“ ganz klar. Hier teilen sich das Chassis und die Bauteile das benötigte Budget je nach Einkaufsquelle zur Hälfte. Für insgesamt unter 30,- Euro pro Lautsprecher (Technik) bietet die Yps einen ausgewogenen Frequenzgang mit einer durchaus guten Basswiedergabe. Insgesamt also sehr viel Gegenwert für ein sehr kleines Budget .

Da ich der Yps wegen ihrer Proportionen kein separates Weichenfach spendieren wollte, muss  die Unterbringung des Korrekturgliedes im Gehäuse selbst erfolgen. Nach dem Zusammenbau ist dies kaum zu bewerkstelligen.  Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, die Bauteile vor dem Aufleimen der Frontwand auf dieser unterhalb des Chassis aufzukleben. Im vorliegenden Fall handelt es sich vorwiegend um Teile, die ich aus gebrauchten Weichen ausgelötet habe, oder um günstig erstandene Restposten. Sogar die Kabel entstammen einer zerlegten „Terminalweiche“. Damit die Teile auch halten, habe ich mit Heißklebepampe nicht gegeizt. Besonders bei den Spulen habe ich die Kanten des Spulenkörpers quasi eingerahmt. Auf der linken Seite sieht man den angeleimten Zentimeter, der bei dem Restbrettchen für die Schallwand in der Breite fehlte.

Yps Korrekturglied

 

Die Bedämpfung der Yps gestaltet sich sehr einfach. Auf den Boden kommt eine Lage Fibsorb 100. Das ist komprimiertes Polyestervlies mit einem Flächengewicht von 1000g/m². Die Seiten, der Deckel und die Rückwand werden mit Fibsorb 50 beklebt, alternativ mit komprimiertem Polyestervlies mit einem Flächengewicht von ca. 500g/m².

Yps Bedämpfung

 

Yps Bauplan (vergrößern –> rechte Maustaste –> Grafik anzeigen)

 

Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.

Die Yps liefert eine tonal sehr ausgewogene Wiedergabe. Der Bass ist sauber und gut dosiert. Natürlich ist der Pegel bei einem 4 Zöller begrenzt. Es geht aber erstaunlich viel. Wahrscheinlich ist das mehr, als man von einem so kleinen und preiswerten Chassis erwartet.  Stimmen klingen angenehm warm, ohne Schärfe. Breitbänder typisch ist die Ortung einzelner Instrumente und Stimmen sehr gut. Ein toller und preiswerter Allrounder, mit dem Musik hören Spaß macht.

 

Tim M. schreibt in unserer FB Gruppe

Da dieser Sommer etwas eingeschränkter abläuft habe ich mich für ein kleines Projekt entschieden. Ich habe die YPS von Alexander Gresler nachgebaut. 
Schnell, einfach und der Hammer. 
Ich habe bei den YPS alles und nichts erwartet. Bisher war ich bei allen Projekten aus dem Hause Gresler begeistert also wird der auch gut sein dachte ich mir. Gleichzeitig war ich davon überzeugt das so ein kleiner „Breitbänder“ ja nun nicht die Welt sein kann.
Nach ersten Tönen haben die Lautsprecher mich aber ganz schön vom Gegenteil überzeugt. Die kleinen spielen viel größer als sie sind. Im vergleich zu dem BYT spielen sie natürlich nicht ganz so Voluminös auf, und die BYT sind obenrum auch hochauflösender, aber man muss hier klar die Kosten, Aufwand und die Größe berücksichtigen.
Ich kann die YPS für jeden Einsteiger oder für kleine Räume empfehlen.

 

4 Kommentare

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    • Lutz auf 11. Juli 2020 bei 10:49

    Hallo Alex,

    da ich schon einige Deiner Kreationen hören durfte und diese mich jedes Mal aufs Neue verblüfft haben, bin ich schon sehr gespannt auf die „Yps“ … so ist die leidige Corona-Zeit auch mal für etwas gut 🙂 Chassis sind schon geliefert worden, Bauteile werden heute bestellt und dann kann es schon bald losgehen. Was mich allerdings bislang irritiert ist, dass ich in Deinem Bauplan kein Anschlussterminal eingezeichnet finde – kann dieses ohne klangliche Einbußen frei auf der Rückwand platziert werden, oder soll das Signal durch den Port zugeführt werden?

    Danke vorab und viele Grüße

    • admin auf 11. Juli 2020 bei 11:08
      Autor

    Hallo Lutz,

    ja, die Yps ist ein schöner kleiner Universallautsprecher für viele Einsatzbereiche. Terminals zeichne ich nie in meine Baupläne ein, da erstens jeder seine Vorlieben hat, und zweitens hat man oft noch irgendwelche Terminals rumliegen. Ich selbst benutze ausschließlich Einpressbuchsen der Typen SEP 2610 oder SEP 2630. Die gibt es in verschiedenen Farben, wobei ich immer eine rote und eine schwarze wähle. Für den Einbau benötigt man eine 12mm Bohrung, und nach einem Schlag mit einem Gummihammer oder ähnlichem sitzen die Dinger luftdicht und bombenfest. Es handelt sich um Laborbuchsen, die einen deutlich besseren Kontakt bieten als irgendwelche Billigterminals. Wichtig ist nur, dass du die Position des Ports beibehältst.

    Viele Grüße, Alex

    • Alfons Bächler auf 3. August 2020 bei 16:25

    Hallo Alex,
    zuerst herzlichen Dank für deine Arbeit und die hervorragende Dokumentation.
    Zum Thema Breitbänder habe ich einen kleinen Beitrag, aus eigener Erfahrung.
    Man kann immer einmal wieder lesen, dass Beitbandchassis eingespielt werden sollen.
    Meine eigene Erfahrung mit dem Einspielen ist folgende. Ob das einen Erfolg hat ist bei jedem Chassis unterschiedlich.
    Bei verschiedenen 3-Zöllern habe ich keinen hörbaren Unterschied festgestellt. Ganz anders bei dem SPM-116/8 von Monacor.
    Bei dem hat sich das Volumen in der Tiefe deutlich hörbar erweitert.
    Meine Icebox-en sind ungewollt im Hobbykeller zwei Tage lang mit etwa 20 Watt Netzbrumm belastet worden.
    Der Digiamp war eingeschaltet und die Quelle(Notebook) aus.
    Jetzt machen die Bass wie eine große. Ob gleichzeitig in den Höhen etwas verlorengegangen ist, kann ich nicht sagen.
    Die Icebox ist mit einem zusätzlichen Hochtönerchen gesegnet.
    Weiterhin viel Spaß beim Experimentieren und Entwickeln von Lautsprechern.

    • admin auf 7. August 2020 bei 23:28
      Autor

    Hallo Alfons,

    schön, von deiner Erfahrung zu lesen. Eine vergleichbare Erfahrung habe ich bislang noch nie machen können. Umso mehr freut es mich, dass dir dein Chassis nach der unfreiwilligen „Einspielung“ nun noch mehr Freude bereitet.

    Viele Grüße, Alex

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