Nun hat es endlich geklappt. Nach unendlichen Versuchen, einen Termin für ein gemeinsames Treffen zu finden, waren zwei Jungs der Gruppe „D. A. U. Freunde Münsterland“ am ersten Januar Wochendende bei mir zu Besuch. Neben vielen interessanten Gesprächen, gutem Essen und toller Musik gab es auch jede Menge Fachsimpelei und einige Gedanken, was man in der Zukunft an Lautsprechern auf die Beine stellen kann. Klaus Kleber hatte unter anderem die Idee im Gepäck, einen vorhandenen kompakten Zweiweger zu einem Dreiweger mit Seitenbass zu erweitern. In den vergangenen Jahren habe ich einige Lautsprecher dieser Art entwickelt, und ich weiß, dass diese Aufgabe selbst für Entwickler mit viel Erfahrung nicht trivial ist. Ein Seitenbass erfordert eine sehr tiefe Trennung im Bereich bis höchstens 200 Hz. Die zugehörige Messarbeit ist in üblichen Wohnräumen kaum zu bewältigen, erst recht nicht für einen Newbie, der noch nicht ganz so viel Erfahrung auf diesem Gebiet mitbringt. Klaus hatte aber noch eine weitere Variante im Ärmel. Diese sieht vor, die vorhandene Kompakte mit einem zweiten TMT und neuer Abstimmung zu einer 2,5-Wege Standbox wachsen zu lassen. Den Gedanken an die zierliche Standbox mit Seitenbass bekam ich aber nicht mehr aus dem Kopf. So entschloss ich mich, mit einer vorhandenen, auf IEC Schallwand eingefangenen Messung des vorgesehenen SB20PFCR30-8 eine schnelle Simulation mit Boxsim vorzunehmen. Boxsim eignet sich dafür hervorragend, da diese Software erstens in der Lage ist, die Basswiedergabe eines Tieftöners aus seinen TSP zu generieren und an die Fernfeldmessung anzufügen. Zweitens ermöglicht das Programm auch, den Tieftöner virtuell auf einer Seite zu montieren.
SB Acoustics SB20PFCR30-8
Auf eine vollständige TSP Messung habe ich verzichtet, da eine solche bereits vom italienischen Kollegen Diego von Dibirama vorgenommen wurde. Die Messung weicht minimal vom Datenblatt ab, was aber in Konsistenz erfolgt. Das bedeutet, dass die leicht unterschiedlichen TSP Sätze zu identischer Gehäuseabstimmung führen. Testweise, und um zu verifizieren, dass die Chassis fehlerfrei sind, habe ich eine Quick ’n Dirty TSP Messung ohne Ermittlung von VAS durchgeführt. Meine Messung weist noch etwas höhere Werte für Fs und Qts aus. Vas wird dann entsprechend niedriger ausfallen. Die Messung habe ich an den frisch ausgepackten und eiskalten Chassis sofort nach der Lieferung an einem frostigen Tag gemacht.
SB20PFCR30-8 TSP Messung ohne Vas Ermittlung (eiskalte Chassis sofort nach Lieferung)
Beeindruckend ist hier die perfekte Übereinstimmung der Impedanzmessungen und die resultierenden Werte mit extrem geringen Toleranzen. Hier hat SB Acoustics ganze Arbeit geleistet und beweist damit, dass hervorragende Qualität auch bei preiswerten Chassis möglich ist, wenn man den Rotstift bei der Konstruktion an der richtigen Stelle ansetzt.
Die beiden vollständigen TSP Sätze aus dem Datenblatt und von Diego führen zu einer sehr ordentlichen Performance in einem GHP Gehäuse mit einem Volumen von 30 Litern.
SB20PFCR30-8 in 30 Litern GHP (Freifeld)
Die weiter oben bereits beschriebene Simulation mit Boxsim zeigt für das unbeschaltete Chassis bei Seiteneinbau folgendes Verhalten ohne und mit HPC. Für die Performance im Bass wird identisches Verhalten wie in der obigen AJHorn Simu prognostiziert.
SB20PFCR30-8 Seiteneinbau unbeschaltet (gestrichelt ohne, durchgezogen mit HPC)
Aus einem nicht weiter verfolgten Projekt lagerten in meinen Regalen noch zwei kleinere Brüder des SB20PFCR30-8. Es handelt sich um die bereits von Klaus Kleber in seinem Kompaktlautsprecher verwendeten SB13PFCR25-8, die auch schon in der Poormans eine sehr gute Figur machten.
SB Acoustics SB13PFCR25-8
Auch dieser kleine Indonesier weist ein hervorragendes Verhalten auf. Sein nutzbares Frequenzband reicht bis rund 4kHz, bevor sich in höheren Gefilden eine mäßig bedämpfte Resonanz zeigt, die aber bei steilflankiger Trennung und sorgfältiger Beschaltung keine Hürde darstellt. Es ist geplant, im Bereich um 2,5kHz an einen Hochtöner zu übergeben. Dieser weicht allerdings von Klaus Klebers zunächst vorgesehenem Chassis ab. Hatte er die bereits in seinem Kompaktlautsprecher verwendete SB26ADC-C000-4 auserkoren, wird es in der Tristar im Hinblick auf ein noch gleichmäßigeres Abstrahlverhalten die in der DAUmino Serie bewährte ND25FW-4 von Dayton.
Dayton ND25FW-4
Über die ausgezeichnete Qualität dieses kleinen Neodym Hochtöners erübrigt es sich, große Worte zu verlieren. Der Frequenzgang ist durch den kleinen Waveguide gleichmäßig zum Hochtonbereich fallend, der Kennschalldruck ist hoch, und die Verzerrungswerte gering. Obendrein ist der Hochtöner sehr preis-wert. Eine perfekte Ergänzung also für die beiden Mitspieler in der Tristar.
Nach dem Aufbau der Gehäuse konnte verifiziert werden, ob die mit Boxsim angestellte Simulation unter Verwendung der Dibirama Messung sich auch in der Praxis bewahrheitet. Dazu wurde der SB20PFCR30-8 in seitlichem Einbau mit dem üblichen Messaufbau in einem Meter Entfernung und größtmöglicher Fensterung gemessen.
SB20PFCR30-8 Simu mit Dibirama Messung ( … ) vs. eigene Messung ( ___ )
Die Übereinstimmung ist im relevanten Bereich beeindruckend, vor allem unter Berücksichtigung unterschiedlicher Messbedingungen. Das Verhalten im Bassbereich wurde für die Dibirama Messung in Boxsim aus den TSP generiert. Bei der eigenen Messung wurden Nah- und Fernfeldmessungen gemerged, wobei die vorliegende Simulation aus den TSP als Referenz verwendet wurde. Das Merging von Nah- und Fernfeldmessung für den SB13PFCR25-8 wurde nach identischem Muster erstellt. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine sehr realitätsnahe Simulation von Weichenschaltungen für Kombinationen mit sehr niedriger Trennfrequenz. Durch die notwendige Fensterung bei Messungen in Wohnraumsituationen können Frequenzen unterhalb von ~300Hz bekannterweise kaum realitätsnah eingefangen werden.
Die verwendeten Chassis sind von preiswerter Natur, was ihre grundsätzliche Qualität aber nicht schmälert. In ihren Arbeitsbereichen spielen die Kollegen sehr linear und ausgewogen, und auch die Verzerrungen bewegen sich auf unkritischem Niveau. Wegen der inzwischen recht kostspielig gewordenen Weichenbauteile galt es aber, die Topologie der Weiche so zu gestalten, dass der finanzielle Aufwand für die Bauteile in einem vertretbaren Verhältnis zu den Kosten für die Bestückung steht. Nach diversen Versuchen mit unterschiedlichen Flankensteilheiten und einer Vielzahl an möglichen Topologien stellte sich heraus, dass sich ein perfektes Zusammenspiel des Seitenbasses und des frontseitigen Tiefmitteltöners einstellt, wenn der Tieftöner mit einem schlichten 6dB Filer in Form einer 12mH Spule beschaltet wird. Der große Spulenwert lässt im ersten Moment eine kostspielige Lösung vermuten. Genau dies ist nicht der Fall, da das befürchtete Aufbuckeln im Oberbassbereich deutlich geringer ausfällt, als es bei Verwendung einer Weiche höherer Ordnung der Fall ist. Somit kann ein korrigierender Saugkreis, der wiederum Bauteile mit hohen Werten erforderlich macht, vollends entfallen.
Mit den im finalen Gehäuse angefertigten Messungen wurden im nächsten Schritt Simulationen angestellt. Bei der Betrachtung dieser Simulationen ist zu beachten, dass für den Anteil des Tieftöners lediglich dessen 90° Messung, also die des zur Seite gerichteten Chassis, verwendet wurden.
Tristar Simulation mit gefügtem Nahfeld 0° + Einzelzweige
Tristar Simulation mit gefügtem Nahfeld 0° – 90° (TT nur 90°)
Tristar Simulation mit gefügtem Nahfeld 0° + Energiefrequenzgang
Die Messungen mit der auf dem bewährten Klemmbrett gesteckten Frequenzweiche zeigen ein identisches Ergebnis. Durch die Tatsache, dass die Simulationen nur mit der 90° Messung des Tieftöners erstellt wurden, weichen die Messungen im Bereich der Trennfrequenz naturgemäß etwas ab, weil der Tieftöner durch die Veränderung des Messwinkels seine Position verändert.
Tristar gefensterte Messung 0° + Einzelzweige
Tristar gefensterte Messung 0° – 90°
Die Klirrmessungen belegen eindrucksvoll, dass auch preiswerte Chassis eine sehr gute Qualität mitbringen, und dass sie auch hinsichtlich der Verzerrungen sehr gut funktionieren, sofern die Konstrukteure ihre Hausaufgaben gemacht haben.
Tristar Klirr @ 85dB
Tristar Klirr @ 90dB
Tristar Klirr @ 95dB
Dass die Tristar kein Wunder an Wirkungsgrad ist, muss nicht verschwiegen werden. Die Klirrmessungen zeigen aber, dass sie dennoch kein Kind von Traurigkeit ist. Mit einem halbwegs ordentlichen Verstärker lassen sich recht hohe Pegel erzielen, ohne dass die Ohren den Verzerrungstod sterben. Die auf unproblematischem Niveau verlaufende Impedanzkurve stellt dabei nicht einmal hohe Anforderungen an die Laststabilität der betreibenden Verstärkers.
Tristar Impedanzverlauf
Die Weichenschaltung wirft keine Besonderheiten auf. Dem TT wird ein Tiefpass erster Ordnung in Form einer 12mH Kernspule vorgeschaltet. Der Tiefmitteltöner gibt sich mit klassischer 12dB Filterung nach unten und oben zufrieden. Eine kleine dem Parallelkondensator nachgeschaltete 25µH Spule sorgt für etwas mehr Ruhe in der zum Hochtöner hin abfallenden Flanke. Der kleine Sperrkreis aus 0,1mH und 100µF bereinigt einen kleinen Peak bei 1,5kHz. Auch der Hochtöner ist mit einem 12dB Filter beschaltet. Sowohl beim TMT als auch beim HT sorgt ein Spannungsteiler für geordnete Pegelverhältnisse.
Tristar Weichenplan
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Bei der 0,1mH Spule des Sperrkreises ist unbedingt darauf zu achten, den Widerstandswert von 0,26 Ohm möglichst genau einzuhalten, um die korrekte Intensität des Sperrkreises zu gewährleisten. Der Kapazitätswert des HPC erlaubt eine recht große Bandbreite. Werte zwischen 330µF und 500µF sind erlaubt, ohne nenneswerte Unterschiede in der Performance. Genau diese Breitbandigkeit der möglichen Werte eröffnet Sparpotential. So kostet ein bipolarer 390µF Elko rund 10,- Euro. MIt einem kleinenTrick können auch billige unipolare Elkos eingesetzt werden. Dazu nimmt man je zwei solcher unipolaren Elkos mit doppelter Kapazität und schaltet diese an ihren Minuspolen in Reihe. Die beiden Pluspole bilden dann einen quasi bipolaren Elko mit halbiertem Wert. Infrage kommen also unipolare Elkos mit Kapazitätswerten zwischen 680µF und 1000µF. Um auf der sicheren Seite zu sein sollte die Spannungsfestigkeit der verwendeten Elkos mindestens 63V (Standardwert) betragen. Solche Elkos sind in der Regel für wenige Cent zu bekommen und bieten in der Praxis ein großes Sparpotential.
Auch das Gehäuse erfordert keine nennenswerten Besonderheiten. In die Ecken zwischen Schallwand und Deckel werden, wie im Bauplan ersichtlich, kleine Abschnitte in Materialstärke eingeleimt. Hier reichen wirklich kleine Klöztchen, die 2-3 Zentimeter lang sind.
Tristar Bau- und Bedämpfungsplan
Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt. (The crossover and construction plans are released for private use. Any form of commercial use or distribution without prior agreement is prohibited and will be prosecuted.)
Menschen, die eine besonders gute „Auflösung“, also einen zu lauten Hochtonbereich, bevorzugen, können ihrem Geschmack Rechnung tragen, indem zwei Bauteile verändert werden. Die Erhöhung der Werte der Parallelwiderstände in den Spannungsteilern des TMT von 10 Ohm auf 12 Ohm und des HT von 3,3 auf 3,9 Ohm hebt den Frequenzgang ab etwa 800 Hz um rund 1dB an. Das kaut bei einigen Musikstücken ein wenig am Ohr, aber für Fanatiker von „Auflösung“ könnte das eine Option sein. Die unterschiedliche Performance zeigt sich wie folgt:
Tristar Messung original (rot) vs. Modifikation (blau)
Die Tristar ist ein günstiger, aber klanglich hervorragender Lautsprecher im preiswerten Segment. Chassis, Weichenteile, Zuschnitt und Kleinteile sollten sich bei günstigem Einkauf für unter 200,- Euro pro Seite über die Ladentheke gehen. Dafür bekommt man einen vollwertigen Lautsprecher, der vollends überzeugt. Er bietet Tiefgang bis in Regionen zwischen 40 und 45 Hz. Die gewissenhafte Abstimmung mit Blick auf gutes Abstrahlverhalten und ausgewogene Wiedergabe überzeugt in klanglicher Hinsicht ohne jeglichen Zweifel.
3 Kommentare
Super Bericht Alex, da bekommt man gleich wieder Lust was nachzubauen, Seitebass fand ich schon immer extrem cool. Aja, und in der Gefahr das ich mich lächerlich mache, ist beim Tiefpass nicht ein Fehler im Schaltplan, C sollte ja gegen Masse gehen und nicht in Serie mit L sein?
LG Sebi
Autor
Hallo Sebi,
keine Sorge, lächerlich machst du dich nicht, aber die Schaltung ist so korrekt. Der Seitenbass ist lediglich mit einer Weiche 1. Ordnung, also der 12mH Spule, als Frequenz trennendes Bauteil beschaltet. Der Kondensator, der ebenfalls in Reihe zur Spule liegt, ist ein Hochpasskondensator (GHP System), der den Frequenzbereich des Tieftöners im eigentlich zu kleinen Gehäuse nach unten erweitert.
Gruß Alex
Hallo Alex, spannend, da hab ich was neues gelernt, (und darum geht’s ja schließlich, auch wenn ich mich nun doch ein bissl dumm für meinen abgegebenen Kommentar fühle.)
LG Sebi