Es wurde mal wieder Zeit! Zeit für ein Schnäppchen, das trotz seiner Preiswürdigkeit vollends zu überzeugen weiß. Diesmal soll es aber eins sein, das abseits der ultragünstigen Abverkäufe von der Chassis-Resterampe entsteht. Da in der aktuellen Zeit der Pandemie Kontakte zur Außenwelt nicht zu meinen bevorzugten Aktivitäten zählen, richtete sich mein Blick in Richtung der vorhandenen Chassis und Gehäuse in meiner Entwicklungsabteilung. Erst kürzlich fand bei einer ähnlichen Aktion der Monacor SPM-116/8 aus Gazzas Icebox den Weg in meine kleine Yps. Darin spielt das Chassis in 9 Litern umbauter Luft ganz hervorragend und mit veritabler Basswiedergabe. Zwei davon müssten doch eine gute Figur in dem schmalen, rund 18 Liter großen Standgehäuse aus einem nicht vollendeten Visaton Projekt machen. Für ein paar Euro hatte ich irgendwann mal ein Paar HT-22/8 Konushochtöner mitbestellt, die in einer Messung eines Lautsprechermagazins recht ordentliches Verhalten zeigten. Summa Summarum liegen die drei Töner pro Seite bei unter 40,- Euro incl. Porto. Da kann wahrlich man nicht meckern.
Auf meiner Kreissäge wurden noch am selben Tag die Gehäuse ihrer Schallwände für die urspüngliche Visaton-Bestückung entledigt. Wegen der zu erwartenden stehenden Welle in dem länglichen Gehäuse wurde gleich ein weiteres Brettchen mit einer 45 mm durchmessenden Bohrung eingeleimt, welches mit dem eigentlichen Gehäuseboden einen IHA bildet. Nun musste nur noch die Schallwand mit den Fräsungen für die neuen Chassis aufgeleimt werden, und fertig waren die neuen Behausungen.
Monacor SPM-116/8
TSP
- FS: 83,12 Hz
- Mms: 3,91 Gr
- Cms: 0,94 mm/N
- Sd: 54,9 cm²
- Vas: 3,87 Liter
- Re: 7,39 Ohm
- BL: 4,39 N/A
- Qms: 2,54
- Qes: 0,78
- Qts: 0,59
- Rms: 0,8 kg/s
- Spl: 86,46 dB
Dieser TSP Satz qualifiziert den SPM-116/8 ganz klar für den Einsatz in einer TQWT. Aus einer solchen habe ich das Chassis leihweise heraus operiert. Es steckte nämlich in Gazzas Icebox, und die funktioniert als TQWT wunderbar. Natürlich wollte ich diese nicht kopieren, sondern dem Chassis ein möglichst kleines Volumen schenken, in dem es fullrange läuft. Eine Simulation mit AJHorn wies ein 18 Liter großes BR Volumen für eine Bestückung mit zwei SPM-116/8 als ideal aus, soweit man das für ein Chassis mit einem Qts von 0,59 überhaupt behauten kann.
2 x Monacor SPM-116/8 in 18 Litern BR
Der preiswerte Konushochtöner HT-22/8 sieht mit seiner Dustcap in hochglänzender Chrom-Optik deutlich billiger aus, als das was er akustisch zu leisten imstande ist.
Monacor HT-22/8
Sollte die Dustcap in den Augen des Betrachters einen Makel darstellen, tauchen ein Pinsel und ein paar Tropfen Nachfülltusche aus dem Hause Edding das spiegelnde Zentrum in seidiges Schwarz.
Aus der Icebox und der Yps war das Verhalten der SPM-116/8 bereits als recht gutmütig bekannt. Entspricht aber auch das Verhalten des HT-22/8 dem, welches ein Magazin ihm vor einigen Jahren attestierte? Nun, in der schmalen Schallwand, die einem einfachen Aufbau zuliebe bewusst ohne Fasen ausgeführt wurde, weist der Frequenzgang einige Welligkeiten auf Achse und unter 15° auf. Bereits unter 30° verhält er sich jedoch mustergültig und strahlt für einen Konus wunderbar ab.
HT-22/8 unbeschaltet in Bargain Gehäuse (Darstellung 1 dB Offset)
Das kann sich durchaus sehen lassen. Einzig der Peak knapp unterhalb von 6 kHz sollte bei der späteren Beschaltung mittels eines kleinen Saugkreises ein wenig eingedämmt werden.
Nachdem alle Winkelmessungen der beteiligten Chassis in XOver importiert wurden, konnte die Simulation einer geeigneten Frequenzweiche beginnen. Natürlich sollte diese möglichst einfach und preiswert ausfallen und zu den günstigen Bremer Tönern passen.
Bargain Simulation 0° – 60°
Im Messraum folgte als nächster Schritt der fliegende Aufbau der Frequenzweichenschaltung auf dem bewährten Steckbrett. In einer darauffolgenden Messung wurde überprüft, ob die Ergebnisse der Simulation mit der Realität übereinstimmen.
Bargain gefensterte Messung 0° – 90°
Für die obige Messung wurde lediglich eine minimal hochohmigere Spule im Korrekturglied des Tiefmitteltöners verwendet. Die Senke im Bereich um 1,5 kHz konnte somit vollkommen vermieden werden. Das Abstrahlverhalten ist für eine solch preiswerte Kombination hervorragend, besonders, wenn man sich vor Augen führt, dass der Lautsprecher keinerlei Fasen aufweist.
Bargain gefensterte Messung 0° + Zweige
Die Charakteristik der Einzelzweige zeigt keinerlei Auffälligkeiten. Der Schnittpunkt der Summenkurve von Tiefmitteltöner und Hochtöner befindet sich exakt 6 dB unterhalb der Summenkurve, was eine einwandfreie Phasenlage im Übernahmebereich attestiert.
Bargain Messung 0° incl. Nahfeld + Port (Freifeldbedingung) sowie Impedanzverlauf
Die Weichenschaltung konnte sehr einfach ausfallen. So wird der Tieftöner legidlich mit einem 6 dB Filter langsam nach oben ausgekoppelt. Den Tiefmitteltöner filtert ein 12 dB Tiefpass bei der Trennfrequenz aus. Dabei wird er von einem kleinen Korrekturglied unterstützt, welches eine kleine Überhöhung im Mitteltonbereich egalisiert. Zur korrekten Funktion des Zweiges ist die Impedanz des Chassis linearisiert. Der Hochtöner wird ebenfalls mit einem 12 dB Filter eingeschleift. Ein preiswerter Saugkreis dämpft eine Resonanz um 6 kHz ein. Der Spannungsteiler sorgt für korrekten Pegel.
Bargain Weichenschaltplan
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Der Aufbau des Gehäuses bereitet keine Schwierigkeiten. es handelt sich um eine Box aus 6 rechtwinkligen Brettern und einem zusätzlichen Teiler, der zusammen mit dem einspringenden Boden einen IHA bildet, der die stehende Welle, die durch die Gehäusehöhe verursacht wird, wirksam unterdrückt. Die beiden Tief- und Tiefmitteltöner werden versenkt in die Schallwand eingelassen. Die Frontplatte des Hochtöners ist mit 0,6 mm Materialstärke so flach, dass sich eine Einfräsung erübrigt. Es reicht deswegen ein einfacher kreisrunder Ausschnitt.
Schallwand mit Ausfräsungen für die Tief- und Tiefmitteltönern sowie HT Öffnung
Damit die Korbfenster der Tief- und Tiefmitteltöner nicht durch den Einbau verdeckt werden, empfiehlt es sich, die Fräsungen für diese Chassis rückseitig anzufasen. Dies verhindert Kompressionseffekte durch teilweise verdeckte Korbfenster. Es kommt bei dieser Maßnahme nicht auf den Millimeter an. Wer keinen Fasefräse sein eigen nennt, darf auch beherzt zur Raspel greifen.
Angefaste Fräsung für Tief- und Tiefmitteltöner
Bau- und Bedämpfungsplan (vergrößern –> rechte Maustaste –> Grafik anzeigen)
Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.
Und wie klingt es? Ziemlich ausgewachsen klingt es. Die beiden Vierzöller liefern ein sehr schönes, konturiertes und voluminöses Bassfundament ab. Es geht zwar nicht ultratief in den Keller, aber die Wiedergabe lässt nichts vermissen. Nur bei Musikstücken mit sehr tiefem Bassanteil merkt man, dass untenrum irgendwo Schluss ist. Der Lautsprecher strahlt hervorragend ab, was ihm eine gewisse Stimmigkeit verleiht und im positiven Sinn Ruhe ins Klangbild bringt. Stimmen klingen sehr gut. Nichts zischelt, die Auflösung gelingt den preiswerten HT-22/8 wirklich sehr gut. Die Bühnendarstellung und die Ortbarkeit einzelner Instrumente und Stimmen funktionieren wunderbar. Ich bin sehr positiv überrascht. All das hatte ich bei den ersten Gedankenspielen zur Konstruktion dieses Lautsprechers nicht erwartet. It’s a Bargain…
2 Kommentare
Hallo,
die Ausfräsungen auf der Innenseite waren mir bisher gar nicht groß aufgefallen. Bei der Countach meine ich etwas Ähnliches entdeckt zu haben, oder empfiehltst du das immer? Bei der Mona Kea sah ich davon z.B. nix.
Viele Grüße
Nils
Autor
Hallo Nils,
es empfiehlt sich bei kleinen Chassis, diese Anfasung grundsätzlich vorzunehmen. Dabei kommt es nicht auf den Millimeter an.
Viele Grüße, Alex