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Hotte – Das Zufallsprojekt

Seit einigen Jahren stehe ich im Kontakt mit Horst. Horst ist ein Musikliebhaber, und er baut gerne Lautsprecher. Dabei ist er auf den Nachbau von Bausätzen oder Bauvorschlägen angewiesen, denn in der Entwicklung von Lautsprechern steht Horst noch ganz am Anfang seiner Karriere. So schreibt er mich immer wieder einmal an und fragt nach dem einen oder anderen Tipp. Kürzlich war es wieder soweit. Aus einem früheren Bauprojekt waren noch zwei schmucke kleine Gehäuse aus schönem Multiplex übrig, und Horst hatte die Idee, diese mit dem  Tang Band W3-1053SC zu bestücken, der aktuell ab 19,- Euro angeboten wird. Leider weiß man bei dem Hersteller nie so genau, ob die im Datenblatt angebotenen TSP mit der Realität übereinstimmen. So entwickelte sich die Idee, dass die Breitbänder samt Gehäuse zu mir geschickt werden, um eine mögliche Liaison zwischen den Teilen herzustellen. Zwei Tage später klingelte der freundliche DHL Mann und übergab mir ein kleines Paket. Die Arbeit an „Hotte“ konnte beginnen…

Tang Band W3-1053SC

 

Nett anzusehen ist er ja, der kleine. Jetzt müssen nur noch seine TSP denen aus dem Datenblatt nahe kommen. Um dies zu überprüfen habe ich mein DATS angeworfen und die beiden Breitbänder einem kurzen Test unterzogen. Das Ergebnis war erfreulich, denn die gemessenen TSP weichen nicht sehr weit von den Angaben im Datenblatt ab. Zudem weisen die beiden Tönerchen auch eine recht ordentliche Konstanz auf.

Tang Band W3-1053 TSP Vergleich

 

Die Resonanzfrequenzen liegen sehr nah an den im Datenblatt angegebenen 100 Hz. Qts ist etwas erhöht, wofür Vas ein wenig niedriger ausfällt, als vom Hersteller angegeben. Das führt in Konsistenz zu quasi identischer Abstimmung wie mit den TSP aus dem Datenblatt. An dieser Stelle gibt es nichts auszusetzen.

Die nächste Frage, die es zu klären galt, ist jene, ob das Tönerchen in den knapp 5 Litern Volumen, die das Gehäuse mitbringt, klar kommt. Das Volumen ist aber nicht alles. Es hat zudem einen als Kanal fest eingeleiimten BR Port. Da muss Kollege Zufall schon ganz gehörig mitspielen, um dieses „wilde“ Gebilde zu einem funktionsfähigen werden zu lassen.

Tang Band W3-1053 in 5 Litern BR

 

Da kann man fast von einer Punktlandung sprechen.  Vollkommen überraschend vermag der W3-1053 in den knapp 5 Litern mit ihrem vorhandenen Port recht ordentlich zu spielen. So viel zur Gehäuseausführung. Spielen aber auch die akustischen Talente des Breitbänders in einer Weise mit, die den Einsatz rechtfertigen? Dazu wurde das Chassis in ein zuvor bedämpftes Gehäuse geschraubt und akustisch gemessen.

Messungen unbeschaltet, Fern- und Nahfeld, sowie Portanteil (Freifeld)

 

Die Messungen zeigen keine wirklichen Katastrophen. Der Frequenzgang im Fernfeld erweist sich als weitgehend ausgewogen, wenn man vom Einfluß des Baffle Steps absieht. Die Portresonanz ist recht kräftig. Sie ist auch in den Frequenzgängen sichtbar. Zum Glück befindet sich der Port auf der Gehäuserückseite. Mit einer etwas anderen Position des Ports könnte man die Intensität ein wenig verringern. Hier nehmen wir den kleinen Makel als gegeben hin.

Messung unbeschaltet, gemerged aus Fern- und Nahfeld, sowie Port (Freifeld)

 

Diese Messung wurde im nächsten Schritt in Vituixcad importiert. Die Simulation einer passenden Korrekturschaltung konnte beginnen. Da es sich beim W3-1053 um ein eher preiswertes Chassis handelt, wurden drei mögliche Beschaltungen erarbeitet. Zunächst wurde ein insgesamt glatter Verlauf hergestellt, der im Bereich des Baffle Steps einen kleinen Peak stehen lässt.

Variante mit gebrückter Spule

 

Beschaltung mit gebrückter Spule

Warenkorb für Standardweiche im Quint-Store (Preisstand 28.12..2020)

 

Eine preiswerte Beschaltung des Peaks lässt sich bereits mit einem zusätzlichen und preiswerten Sperrkreis erzielen.

Variante mit zusätzlichem Sperrkreis

 

 Beschaltung mit zusätzlichem Sperrkreis

Warenkorb für Weiche mit Sperrkreis im Quint-Store (Preisstand 28.12..2020)

 

Der zusätzliche Sperrkreis bietet eine sehr preiswerte Möglichkeit, den Peak zu eliminieren. Er führt jedoch zu einer kleinen Senke im zu korrigierenden Bereich. Noch etwas exakter lässt sich der Peak mit einem schmalen, aber auch etwas teureren Saugkreis bekämpfen.

Variante mit zusätzlichem Saugkreis

 

Beschaltung mit zusätzlichem Saugkreis

Warenkorb für Weiche mit Saugkreis im Quint-Store (Preisstand 28.12..2020)

 

Letztgenannte Variante führt zum besten Ergebnis, ist allerdings auch ein wenig teurer. Natürlich können bei einem solch preiswerten Projekt auch preiswerte Spulen eingesetzt werden, wie etwa die Jantzen I-Kern Spulen mit 0,7 mm Draht. Sehr günstig werden diese z. B.  im Quint-Store angeboten.

Die Variante mit dem Saugkreis war dann auch diejenige, deren Weiche gesteckt wurde, bevor die Messungen stattfinden konnten. Leider exportiert Vituixcad Screenshots der Simulationen im Widescreen Format, so dass, wegen der besseren Vergleichbarkeit, die Funktion bei ARTA ebenso gewählt wurde.

Messung 0° aus Fern- und Nahfeld, sowie Portanteil (Freifeld)

 

Messung 0° (gefügt) – 90° (nur Fernfeld)

 

Damit kann man wunderbar leben, wenngleich sich die Wirkfrequenz des Saugkreises unter Winkeln leicht verschiebt. Insgesamt ein ordentliches und mehr als brauchbares Ergebnis. Der W3-1053 hat ein sehr ordentliches Rundstrahlverhalten, auch unter größeren Winkeln.

Bau- und Bedämpfungsplan (vergrößern -> rechte Maustaste – Grafik anzeigen)

 

Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.

Wie klingt’s denn so? Naja, es klingt dem linearen Frequenzgang entsprechend sehr ausgewogen. Der Bass ist nicht tief, aber voluminös. Man vermisst nichts, vor allem, wenn Hotte wandnah oder auf einer Tischplatte o. ä. aufgestellt wird. Breitbänder Typisch baut sich eine schöne Bühne auf. Das ist auch der Fall, wenn man den Lautsprecher im Nahfeld hört. Der Maximalpegel ist bei einem 3 Zöller natürlich begrenzt. Dennoch bieten sich viele Einsatzzwecke und Aufstellungsmöglichkeiten an. Tolles kleines Böxlein. Der Hochtonanteil lässt sich übrigens wunderbar durch Variation des 10 Ohm Widerstands über der ersten Spule dosieren. Wer es etwas frischer mag, oder den Lautsprecher nicht auf Ohrhöhe positionieren, oder ausrichten kann, wählt einfach einen etwas kleineren Wert. Hier ist probieren nicht strafbar, sondern ggfs. zielführend und zwar in allen drei Beschaltungsvariationen.

10 Kommentare

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    • Gast auf 22. Januar 2021 bei 05:43

    Hallo,
    wieder wird hier gezeigt, dass man keine Angst haben sollte sich an die Beschaltung eines Breitbänders zu wagen! Toll, welche Möglichkeiten gezeigt werden, wie die Beschaltung aussehen kann.
    Eine Frage sei mir dennoch gegönnt: Kann man den Bauvorschlag mit der Sica Mini TQWT vergleichen? Ähnliche Gehäusemaße, die gleiche Breitbändergröße, aber weniger Tiefgang.. was macht der Tangband besser?

    • admin auf 22. Januar 2021 bei 08:58
      Autor

    Hallo,

    die beiden Lautsprecher sind trotz ihrer ähnlichen Größe unterschiedlich. Der Sica kann tiefer spielen und das mit einer Portion mehr Maximalpegel. Dafür hat Hotte im Superhochtonbereich etwas mehr Energie vorzuweisen. Bei normaler Zimmerlautstärke sind die Unterschiede aber gering, so dass man nicht von besser oder schlechter sprechen kann. Hotte ist halt ein Projekt, das durch Zufall entstanden ist. Ich hatte einem Bekannten versprochen per TSP Messung zu überprüfen, ob das Chassis in dem noch vorhandenen Gehäuse spielen kann. Da dies der Fall ist, habe ich gleich die Korrekturschaltung hinterher geschoben.

    • Dirk auf 20. April 2021 bei 13:58

    Hallo Alex,

    vielen Dank für die tolle Webseite und die Bauvorschläge.

    Ich bin gerade dabei „Hotte“ nachzubauen. Die beiden Gehäuse sind schon bis auf ein Seitenteil und den Port fertig. Ich habe die Gehäuse aus 15mm Multiplex gebaut und die Maße der Teile für das gleiche Volumen entsprechend angepasst.

    Eine Frage habe ich dennoch. Wie sollte man die Spulen der Frequenzweiche anordnen? Beeinflussen sich die Magnetfelder gegenseitig oder ist das vernachlässigbar?

    Beste Grüße aus Thüringen.

    Dirk

    • admin auf 20. April 2021 bei 14:36
      Autor

    Hallo Dirk,

    das ist absolut vernachlässigbar, auch wenn vielerorts anders darüber geschrieben wird. Das gilt auch für die im Netz umher geisternde Abbildung mit den Spulenanordnungen. Solange man die Spulen nicht übereinander anordnet, reicht ein Abstand in Fingerbreite. Die Ausrichtung ist vollkommen wumpe. Natürlich schadet eine zueinander um 90° verdrehte Anordnung nicht, und wenn es nur für das gute Gewissen ist.

    Viele Grüße, Alex

    • Dirk Berner auf 2. Mai 2021 bei 11:38

    Hallo Alex,

    Hotte ist jetzt seit ein paar Tagen fertig und spielt in unserem Wohnzimmer die Musik eines Streamingdienstes mit grünem Logo. Für meinen ersten selbst gebauten Lautsprecher bin ich zufrieden.

    Vielen Dank für die Anleitung!

    Getestet habe ich Hotte an meiner Yamaha Stereoanlage gegenüber ein paar ELAC 3-Wege-Boxen. Da schlagen sie sich nicht schlecht. Vermessen habe ich die Lautsprecher nicht, da fehlt mir das Equipment und die Erfahrung. Vllt mache ich das noch. In der Zeitschrift „Make“ vom Heise-Verlag gibt es einen guten Artikel, wie man das selbst machen kann. Als Zuspieler im Wohnzimmer benutze ich einen HiFi-Berry-Amp2. Ich glaube der kommt mit den relativ kleinen Lautsprechern und dem großen Wohnzimmer (~50m²) schnell an seine Grenzen. Näher ran ist auf jeden Fall besser.

    Für alle anderen Nachbauer, ich habe die Lautsprecher aus 15mm Multiplex-Birke gebaut und die Maße für gleichbleibendes Volumen entsprechend angepasst. Die Lautsprecher habe ich nur geölt und so passen sie gut als „Möbelstückchen“.

    Wenn du möchtest, kann ich dir ein Foto an deine E-Mail-Adresse schicken. Ich will dich damit aber auch nicht zuspammen.

    Nochmals vielen Dank für die Anleitung.

    Beste Grüße aus Thüringen,
    Dirk

    • admin auf 2. Mai 2021 bei 12:23
      Autor

    Hallo Dirk,

    vielen Dank für das schöne Feedback. Das kleine Ding spielt wirklich schön, aber es ist natürlich nicht für höhere Pegel gedacht und gemacht. Über ein Foto für die Galerie würde ich mich in der Tat sehr freuen.

    Viel Spaß weiterhin und viele Grüße

    Alex

  1. Hallo Alex,

    ich habe Deinen Bauplan als Grundlage für meinen ersten ernsthaften Versuch, eine Lautsprecherbox selbst zu bauen, genommen. Allerdings brauchte ich eher einen flachen Wandlautsprecher und habe das Gehäuse entsprechend angepasst. Die Lautsprecher ersetzen die im Flachbild TV rückwärtig Eingebauten und sorgen dafür das die Oma auch wieder was versteht.

    Der Bau hat wirklich Spaß gemacht, meine Frau macht sich schon Sorgen, dass ich da Gefallen dran finde. Mal sehen, als Nächstes werde ich mal versuchen mein Selbstbau-Kofferradio zu überarbeiten, bei dem ich ich zwei Visaton FR10-4 lieblos in 1.1l Volumen gezwängt habe.

    • admin auf 17. Oktober 2021 bei 19:20
      Autor

    Hallo,

    du hast einen handwerklich und optisch wirklich tollen Lautsprecher aufgebaut. Besonders toll ist, dass die Oma wieder Freude am Fernsehton hat. Einen Wermutstropfen birgt das Ganze aber. Durch die deutliche Verbreiterung der Front passt die Korrekturschaltung der Hotte nicht zu deinem Lautsprecher. Die Größe und Geometrie der Schallwand nehmen darauf erheblichen Einfluß. Da der Link, den du zu deinem Lautsprecher angegeben hast, nicht automatisch mit in den Kommentar übernommen wird, füge ich ihn hier ein. Solltest du das nicht wollen, sag einfach kurz Bescheid. Ich nehme ich dann raus. Hier geht’s zu Flache Hotte

    Viele Grüße, Alex

    Viele Grüße, Alex

    • Andreas Messer auf 18. Oktober 2021 bei 08:24

    Hallo Alex,

    das mit dem Link passt! Danke für die Info mit der Schallwand. Für mich ist das alles noch viel „Schwarze Magie“. Wenn es ernsthafter wird, muss mir wohl mal ein kalibriertes Messmikro besorgen, aber alleine das richtige Messen ist schon ne Kunst für sich. Ich habe mich jetzt die Tage mal ein bischen mehr mit dem Visaton BoxSim Programm beschäftigt und da versucht mal was für meine 1.1l zu simulieren. Vielleicht kann ich damit Hotte/Flache Hotte mal simulieren und den Schallwandeinfluss zumindest abschätzen. Allerdings hängt die Box bei mir ja mit ca 1cm Abstand direkt an der Wand.

    Jedenfalls ist es ernüchternd, aber bei den 1.1l Volumen bleiben nicht mehr so viele Chassis übrig, vor allem wenn zumindest ein bischen Bass dabei sein soll. Da ist zwar ein kleiner DSP drinnen mit dem ich das ganze etwas aktiv hinbiegen kann, aber naja. Ich werds entweder mal mit Visaton BF45 oder dem SBAcoustics SB65WBAC25-4 versuchen ob das besser wird.

    Viele Grüße,
    Andreas

    • admin auf 18. Oktober 2021 bei 10:00
      Autor

    Hallo Andreas,

    wenn du zunächst ohne eigene Messungen nachvollziehen möchtest, wie sich die recht starke Veränderung der Breite auswirkt, stelle das originale Gehäuse von „Hotte“ in Boxsim mit dem B80 nach. Versuche eine Korrekturschaltung zu entwickeln, die zu einem möglichst glatten Frequenzgang führt. Ändere danach das Gehäuse so ab, dass es deinem Aufbau entspricht. So kannst du die Veränderungen durch die andere Schallwandbreite gut nachvollziehen.

    Viele Grüße

    Alex

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