Da ich in der Vergangenheit einige TQWT Lautsprecher gebaut habe, möchte ich an dieser Stelle meine Vorgehensweise bei der Faltung eines solchen Gehäuses vorstellen.
Zunächst gehe ich hin, und simuliere unter Anwendung des entsprechenden MJK-Sheets ein passendes Gehäuse für das gewünschte Chassis.
Bedingt durch eine aktuelle Simulationsanfrage erläutere ich mein Vorgehen am Beispiel eines sehr einfachen Car-HiFi Chassis, dem „Kenwood KFC-HQR13“
Als erstes gebe ich die TSP des Chassis in das Sheet ein:
Die Erfahrung mit dem Sheet sagt mir, dass bei einer Resonanzfrequenz von 72 Hertz eine relativ kurze Line von etwa 1 Meter Länge passen könnte. Nach einigen Versuchen und Einstellungen der „Stellschrauben“ war die optimale Länge mit 1,1 Metern recht schnell gefunden:
Dieses Gehäuse führt zu folgendem, gemessen an den TSP, recht ordentlichen Frequenzgang:
An dieser Stelle kommt der TQWT Rechner von mh-Audio zum Einsatz.
Dieser bietet die Möglichkeit, den Anfangs- und Endquerschnitt, sowie die Abstimmfrequenz der Line frei zu definieren. Genau das machen wir uns zunutze, um die mittels des MJK-Sheets simulierte TQWT zu falten.
Wir geben zunächst Fs und SD des gewünschten Chassis ein:
Nach einem Klick auf „calc. TQW Tube“ erhalten wir folgendes Feld:
Der Rechner übernimmt Fs des Chassis als Abstimmfrequenz der Line. Als Standardwerte für den Anfangs- bzw. Endquerschnitt der Line setzt das Programm 1 bzw. 3.
Diese Daten führen zu folgender Linegeometrie:
Die errechnete Line ist 8,63 cm länger als das Optimum aus der MJK Simulation. Ferner stimmen ja Anfangs- und Endquerschnitt nicht, da wir die vom TQWT Rechner gesetzten Standardwerte nicht überschrieben haben. Das Verhalten der Line aus dem mh-audio Rechner sieht übrigens wie folgt aus:
Als nächsten Schritt geben wir die simulierten Querschnitte ein und ändern gleichzeitig die Abstimmfrequenz der Line so lange, bis die Linelänge der MJK Simulation entspricht. In unserem Beispiel führen 77.73 Hz zur gewünschten Länge von 110cm.
Da wir den TQWT Rechner lediglich zur Ermittlung der korrekten Geometrie missbraucht haben, stimmt natürlich die Chassisposition nicht. Diese errechnet man anhand des Wertes aus dem MJK-Sheet. In unserem Beispiel sitzt das Chassis auf 0,63 x der Länge, gesehen vom Anfangsquerschnitt, also auf 69,3 cm. Ferner werden Querschnitt und Länge des Ports ebenso aus dem Sheet übernommen.
Anhand der Grafik kann man nun eine Zuschnittliste erstellen und zum Baumarkt seines Vertrauens fahren.
Schlaue Köpfe werden schnell merken, dass bei einer Chassisposition von 69,3 cm in diesem Fall das Chassis quasi auf dem Deckel montiert werden müsste. In einem solchen Fall muss man leider wieder „zu Fuss“ rechnen und den Knickpunkt der Line verschieben, bis es passt. Evtl. so:
Natürlich muss man dann den Knickpunkt neu errechnen, da durch die Verlängerung des vorderen, schmalen Teils der Line der Knickpunkt „höher“ sitzt. Dabei kommt es nicht darauf an, auf den Zentimeter genau zu arbeiten. Das ist nicht kritisch. Viel viel empfindlicher reagiert die Line auf die Chassisposition und den Portquerschnitt. Selbst die Portlänge ist relativ unkritisch, solange man sie nicht grob verändert.
Wenn es bei einer TQWT aus o.g. Gründen notwendig ist, den Knickpunkt der Line zu verlegen, kann man sich eines weiteren Hilfsmittels bedienen. Als drittes Programm kommt nun AJHorn ins Spiel. Dort wird einfach ein Horn mit entsprechendem Anfangs- und Endquerschnitt bei gegebener Linelänge simuliert. Dann unter „Extras“ auf „Kontur listen“ klicken und der Tabelle den Querschnitt im Bereich des Knickpunktes entnehmen.
Der User Eismann aus dem DIY-HiFi-Forum hat ein Excel-Sheet hochgeladen, mit dessen HIlfe doppelt gefaltete TQWT Gehäuse berechnet werden können. Er war so freundlich und hat mir die Verlinkung dazu HIER genehmigt.
4 Kommentare
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Hallo Alex,
ich bin kürzlich auf Deine tolle Seite gestoßen, und hätt auch auch gleich mal eine Frage:
bei der Beschreibung der Conetto schreibst Du, dass Du die Erfahrung gemacht hast, dass Chassis mit einem Qts über 0,5 nach dem Knick positioniert besser funktionieren. Würdest Du das inzwischen auch mit dem FR 10 in der VISage so machen (evtl. auch mit angepasster Bedämpfung)?
PS: ich möchte den FR10 ab 4000Hz mit einem Hochtöner ergänzen
Viele Grüße und vielen Dank vorab,
Reinhard
Autor
Hallo Reinhard,
wenn ich die VISage heute noch einmal neu veröffentlichen würde, wäre das sicher einen Versuch wert. Der FR10 benimmt sich aber im vorgesehenen Gehäuse sehr gut, was auch viele Gasthörer bestätigt haben. Das Chassis funktioniert sogar in einer kleineren TQWT mit vollkommen anderer Dimensionierung sehr gut. Dies zeigt das Beispiel unserer ViTube FR sehr schön.
Viele Grüße und viel Erfolg bei deinem Aufbau
Alex
Hallo,
ich habe vor kurzem 4 Multicell MS-115 hervorgekramt und würde diese gerne in ein TQWT Gehäuse packen, eventuell noch mit einem Hochtöner in d’Appolito Anordnung.
Also je Box zwei MS-115, parallel geschaltet. Meine Frage ist, wie verhalten sich die TSP resp. die Gehäuseberechnung in diesem Fall? Die TSP werde ich per Additionsverfahren mit LIMP bestimmen. Kann ich diese in Parallelschaltung durchmessen? Das Zusatzgewicht ist natürlich für beide Chassis gleich.
Autor
Hallo,
eine TQWT mit 2 Chassis aufzubauen habe ich auch schon häufiger in Gedanken durchgespielt. Meine Idee wäre, die Membranflächen der beiden Chassis zu addieren und dann als ein virtuelles Chassis mit doppelter Membranfläche zu betrachten. Die TSP müssten entsprechend umgerechnet werden. Grob gesehen halbiert sich die Impedanz, Vas und Sd verdoppeln sich. Das ist aber nicht die 100%ige Wahrheit. Leider ist es nicht möglich, die TSP von zwei parallel geschalteten TSP als ein virtuelles Chassis zu messen. Die Messung muss grundsätzlich an einem Chassis erfolgen. Viel Spaß beim Experimentieren.