Wer kennt sie nicht, die „LS 3/5a“, die in den 70er Jahren als kleine Monitorlautsprecher für die Ü-Wagen der BBC konzipiert wurden. Diese Lautsprecher unterlagen strengen Fertigungsvorgaben, für die die BBC seinerzeit Lizenzen an die diversen Hersteller vergab. Bestückt waren die nur 6 Liter umfassenden Kistchen mit den legendären Chassis B110 und T27 des immer noch existenten Herstellers KEF. Trotz der Verwendung dieses hochwertigen Chassismaterials klangen die LS 3/5a immer etwas sonderbar. Messungen von noch existenten Lautsprechern zeigen einen Peak im Bereich um 1kHz. Ob es daran, oder an der nicht sonderlich ausgeprägten Basswiedergabe lag? Wer weiß? Der B110 hätte sich mit seinem TSP Satz sicherlich in einem BR Gehäuse etwas wohler gefühlt. In den Jahren nach Produktionsende hat es einige Nachfertigungen gegeben, die zum Teil noch erhältlich sind. Inwieweit diese dem Original ähnlich sind, vermag ich nicht zu beurteilen.
KEF B110
KEF T27
Vor einigen Jahren gab es sogar eine Veranstaltung in der DIY Szene, die zum Thema hatte, Clones der LS 3/5A unter Beibehaltung der Gehäuseabmessungen, jedoch freier Wahl der Chassis aufzubauen. Wirklich zufriedenstellende Ergebnisse förderte dieser Wettbewerb wohl nicht zutage. Ein Artikel mit einer klanglichen Kurzbeschreibung der einzelnen Probanden kann HIER eingesehen werden.
Bereits seit längerer Zeit schwelt der Gedanke in meinem Kopf, mich auch einmal der Konstruktion eines Lautsprechers nach LS 3/5a Muster zu widmen. Da die originalen Chassis nicht mehr verfügbar sind, war eine Auswahl von ebenbürtigem Ersatz vonnöten. Dabei galt es, die Chassisgrößen von 5 Zoll beim TMT und 0,75 Zoll beim HT einzuhalten. Ferner sollten die Dimensionen des Gehäuses und somit das geschlossene Volumen dem des Originals entsprechen. Bei den wenigen infrage kommenden Chassis fiel meine Wahl auf Produkte aus dem Hause Wavecor. Der WF146WA01 und die TW022WA06 sind die Töner der Wahl.
Wavecor WF146WA01
Wavecor TW022WA06
Sein TSP Satz prädestiniert den WF146WA01 auf den ersten Blick für BR Gehäuse im Bereich um 15 Liter. Beim Einsatz in einem geschlossenen Gehäuse fällt die Bassausbeute nicht sonderlich üppig aus, da Fs mit gut 55 Hz nicht sehr tief liegt.
TSP Wavecor WF146WA01
Unterstützt man den TMT jedoch mit einem Hochpasskondensator, erreicht er in den zur Verfügung stehenden geschlossenen 6 Litern eine untere Grenzfrequenz, die bei ca. 55 Hz liegt. Das ist ein gutes Stück tiefer, als das Original je zu spielen vermochte, und auch der durch den HPC etwas verringerte Kennschalldruck liegt mit 85dB immer noch auf einem sehr ordentlichen Niveau.
Wavevor WF146WA01 in 6 Litern CB (schwarz) vs. GHP (rot)
Im ersten Schritt wurden Gehäuse mit den originalen Maßen aufgebaut, deren Schallwand 30,5 x 19cm misst. Die beiden Chassis wurden bündig eingefräst, so wie es heute Standard ist und akustische Vorteile mitbringt. Seitliche Fasen hätten noch größeren positiven Einfluß auf das Abstrahlverhalten genommen. Da der Lautsprecher aber in diesem Punkt nicht von der LS 3/5a abweichen sollte, habe ich darauf verzichtet. Die Folge ist ein Fehler im Frequenzgang des Hochtöners, der durch Diffraktionseffekte an den scharfen Kanten verursacht wird. Am stärksten wirkt sich dieses Phänomen auf Achse aus. Unter Winkeln verkleinert sich der Effekt immer mehr.
Schauen wir uns in diesem Zusammenhang einmal die Achsenfrequenzgänge der beiden unbeschalteteten Chassis an:
Messung Wavecor WF146WA02 und TW022WA06 unbeschaltet 0°
Sehr deutlich ist beim Hochtöner der Dip zwischen etwa 2,5 und 4 kHz zu sehen, der durch die Kantendiffraktion verursacht wird. Der Tiefmitteltöner zeigt sich davon wenig beeindruckt, da für ihn mit seiner deutlich größeren abstrahlenden Fläche andere Gesetzmäßigkeiten gelten.
Die folgende Grafik zeigt das Verhalten des unbeschalteten Hochtöners unter Winkeln von 0° – 90° in 15° Schritten:
Messung Wavecor TW022WA06 unbeschaltet 0° – 90°
Der TMT verhält sich unter Winkeln wie folgt:
Messung Wavecor WA146WA01 unbeschaltet 0° – 90°
Hier ist zu sehen, dass sich der Effekt nicht zeigt. Dafür bündelt die größere Membran deutlich stärker. Zu erkennen ist das am mit zunehmendem Winkel immer stärker abfallenden Frequenzgang. Zudem beginnt die Membran ab etwa 4,3 kHz in Resonanzen aufzubrechen.
Da wir alle wissen, dass die Konstruktion und Entwicklung von Lautsprechern immer mit Kompromissen behaftet ist, muss man die Entscheidung treffen, welchen Kompromiss man bereit ist zu gehen. Man könnte eine tiefe Trennung im Bereich von etwa 2 kHz abstreben. Bei dieser Variante bestünden zwei Möglichkeiten, mit dem Dip im Frequenzgang des Hochtöners umzugehen. So könnte man ihn mit entsprechenden Beschaltungsmaßnahmen weitgehend ausbügeln, was aber dazu führen würde, dass der Pegel an dieser Stelle unter Winkeln zu hoch ist. Die Energieabgabe wäre im betreffenden Bereich viel zu hoch. Die Folge wäre ein unnatürlich quäkender und vorlauter Klang, welcher dem Lautsprecher jegliche Langzeittauglichkeit raubt. Als weitere Möglichkeit könnte man den Dip einfach ignorieren. Dies ist ein durchaus gangbarer Weg, der in der Praxis sehr oft beschritten wird. Zum Problem kann dabei aber das Bündelungsverhalten der unterschiedlich großen Membranen von TMT und HT werden. Auch hier wäre eine Sprungstelle im Abstrahlverhalten das zu erwartende Resultat. Langzeittauglichkeit ist auch bei dieser Auslegung nicht zu erwarten.
Was würde aber passieren, wenn man die Trennfrequenz in einen höheren Bereich legt, der oberhalb des Dips liegt, und durch die dieser vollkommen ausgeblendet würde? Das klingt zunächst einfach und plausibel, aber natürlich gibt es auch auf diesem Weg eine Menge Stolpersteine. Das angesprochene Problem mit dem unterschiedlichen Bündelungsverhalten der verschieden großen Membranen gilt natürlich auch hier. Zwar nimmt die Bündelung des Hochtöners mit steigender Frequenz zu, aber die des Tiefmitteltöners ebenso. Die Frage ist, ob sich bei niedrigerer oder bei höherer Trennfrequenz ein besseres Bündelungsverhalten über den gesamten Frequenzbereich einstellt. Ferner gilt es zu beachten, dass man sich bei einer höheren Trennfrequenz in Richtung der Membranresonanzen des Tiefmitteltöners nähert, die klanglich sehr unangenehm sein können. Je höher also die Trennfrequenz liegt, desto aufwändiger wäre die Beschaltung, um die störenden Resonanzen so weit zu bekämpfen, dass sie klanglich und auch hinsichtlich möglicher Verzerrungen nicht mehr stören.
Nun galt es zu verifizieren, ob die beiden Chassis bei einer höheren Trennung, die ich als sympathischsten Kompromiss ansehe, vernünftig kombinierbar sind. Dazu betrachten wir erneut die Achsenfrequenzgänge der beiden unbeschalteten Chassis:
Bereich möglicher Trennfrequenz WF146WA01 und TW022WA06
Der Dip im Frequenzgang des Hochtöners beginnt bei ca. 4,5 Khz und erreicht seinen Scheitelpunkt bei ca. 3 kHz, wo der Pegeleinbruch rund 4 dB beträgt. Der Frequenzgang des Tiefmitteltöners verläuft ausgewogen bis rund 3,5 kHz. Ab dort beginnt sich die erste Membranresonanz zu formieren, die bei ebenfalls 4,5 kHz ihre volle Ausprägung erreicht. Diese Eigenschaften lassen die Vermutung aufkommen, dass die Idee einer hohen Trennfrequenz sich nur sehr schwer verwirklichen lässt. Bei genauerer Betrachtung wird man aber feststellen, dass man sich die Gegenheiten durchaus zunutze machen kann. Modelliert man nämlich den unter 4,5 kHz einsetzenden Dip des Hochtöners in die Flanke Richtung Trennfrequenz, und gestaltet man dies oberhalb von 3,5 kHz beim TMT genauso, ergibt sich ein, wenn auch kleiner, Bereich, in dem eine hohe Trennung der beiden Chassis sinnvoll möglich ist. Den Bereich habe ich in der obigen Grafik grün markiert. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die erste Membranresonanz in diesem Fall nicht weit entfernt ist, aber sie verschwindet im Bereich der zur Trennfrequenz hin abfallenden Flanke und die verbleibenden Artefakte werden durch entsprechende Beschaltung noch einmal zusätzlich entschärft.
Verlauf Flanke WF146WA01 ohne vs. mit zusätzlicher Beschaltung
Der zusätzliche Saugkreis unterdrückt die letzten Artefakte der Membranresonanz bei 4,5 kHz zuverlässig, und es stellt sich ein perfekt symmetrischer Verlauf der beiden Flanken ein. Die Addition der Einzelkurven erfolgt 6dB oberhalb ihres Schnittpunkts, ein Indiz für einwandfreie Phasenlage im Bereich der Trennfrequenz, die bei ca. 3,8 kHz liegt.
Im Verlauf der Entwicklung wurden noch sanfte Änderungen vorgenommen. So führte eine Änderung der Bandbreite eines Sperrkreises durch Vergrößerung des Spulenwerts bei gleichzeitiger Verkleinerung des Kondensators und Anpassung des Widerstands zu noch etwas glatterem Verhalten des Tiefmitteltöners und einem insgesamt noch ausgewogeneren Frequenzgang.
Alice 3.5a finale Simulation Achse und Einzelzweige
Durch die finale Feinabstimmung konnten die Bereiche um 900 Hz und 1,8 kHz noch ein wenig glatter gestaltet werden. Die symmetrisch verlaufenden Flanken und die phasenkorrekte Addition bei 3,8 kHz bleiben von dieser Maßnahme unberührt.
Niemand wird von einem schlichten eckigen Gehäuse ohne Fasen und mit zentrisch auf der Schallwand montiertem Hochtöner ein CD Verhalten erwarten. Dennoch zeigt sich das Abstrahlverhalten stabil und ohne beachtenswerte Ausreißer.
Alice 3.5a Simulation Abstrahlverhalten 0° – 90°
Alice 3.5a Simulation Frequenzgang 0° und Energiefrequenzgang
Hier zahlen sich die durchdachte Konstruktion und ihre gewissenhafte Abstimmung aus. Bei dieser waren, wie schon eingangs erwähnt, ein paar Bauteile mehr erforderlich. Dafür kann sich das Resultat absolut sehen lassen. In Relation zum reinen Chassispreis von etwa 190,- Euro pro Lautsprecher ist der Aufwand für die Beschaltung mit etwa 70,- pro Seite aber immer noch als moderat und angemessen zu bezeichnen.
Die nachfolgenden Messungen decken sich, wie immer bei sorgfältiger Handhabung, perfekt mit den Simulationen.
Alice 3.5a Messung 0° + Einzelzweige
Alice 3.5a Messung 0° – 90°
Alice 3.5a Klirr @ 85dB
Alice 3.5a Klirr@ 90dB
Das Klirrverhalten bei 85dB ist nicht zu beanstanden. Auch der hoch spielende Tiefmitteltöner gibt dabei keinen Anlass zur Kritik. Während bei 90dB D2 und D4 sogar noch niedriger liegen, bleibt D3 bei etwas verändertem Kurvenverlauf mit Werten bis um 0,4 unverändert auf einem erfreulich niedrigen Niveau.
Alice 3.5a Impedanzverlauf ohne vs. mit Linearisierung für Röhrenverstärker
Der Impedanzverlauf gestaltet sich vollkommen unproblematisch und bleibt durchweg bei Werten oberhalb der 5 Ohm Marke. Dies und die Tatsache, dass der Kennschalldruck bei rund 85dB liegt, lässt die Alice 3.5a auch problemlos mit kleineren Verstärkern harmonieren. Für den Betrieb mit einem Röhrenverstärker empfiehlt es sich, den Impedanzverlauf zu linearisieren. Dies erfolgt mit den 6 farblich markierten Bauteilen, die sich im Weichenplan in dem grün umrandeten Kasten befinden. Für den Betrieb mit einem Transistorverstärker ist diese Maßnahme nicht erforderlich, weswegen die Bauteile nicht im Warenkorb enthalten sind.
Alice 3.5a Weichenplan mit optionaler Impedanzlinearisierung
Alice 3.5a Weichenaufbau
Selbstverständlich habe ich für die Weichenbauteile der Alice 3.5a auch einen Warenkorb mit sinnvoll dimensionierten Komponenten aus dem Quint Store vorbereitet. Preisstand ist der 18.09.2024
Leider findet sich im Lieferprogramm vom Quint Store kein bipolarer 680µF Elko. Auf Anfrage ist der Wert häufig lieferbar. Im Warenkorb befinden sich deshalb je ein 560µF und ein 120µF Elko. Diese werden zu 680µF parallel geschaltet. Alternativ kann natürlich auch ein 680µF Elko eines anderen Herstellers oder aus einem alternativen Shop verwendet werden.
Die Weichen- und Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.
Alice 3.5a Bau- und Bedämpfungsplan
Wie immer ist auch der obige Bauplan nicht maßstabsgerecht. Er soll lediglich als Aufbauhilfe dienen. Selbstverständlich sind die angegebenen Abmessungen korrekt.
8 Kommentare
Zum Kommentar-Formular springen
Hallo,
Schaut für mich wie eine wesentlich bessere LS3_5A aus. Ich hatte in den 80er Jahren ein KEF Bausatz mit dem B110 als Mitteltöner. War super smooth aber ihm fehlte die Transparenz speziell im Mittelton. Die Alice würde ich gerne mal hören…
Autor
Hi,
die Alice 3.5a spielt in allen Bereichen sehr neutral. Vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit eines Probehörens. Derzeit werden finale Gehäuse angefertigt, was noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen wird.
Gruß Alex
Hi!
Da ich „leider“ nur Schreibtischhörer bin (Nahfeld hat ja auch Vorteile, es gibt aber nur wenige Lautsprecher die für Desktopeinsatz entwickelt werden), interessieren mich kleine Lautsprecher immer sehr (geringe Tiefe).
Deine Alice3.5 natürlich auch.
Wie siehst du den Eisatzzweck für deine Entwicklung? Hifi-Setup mit Rückwandabstand und hiFi-üblichen Hörabständen? Nahfeld/Desktop?
Und: die ursprünglichen LS3/5 hatten ja eine Überhöhung im Oberbass und eine Senke um 3kHz (oder?) was ja auch den Klangcharakter ausgemacht hat – du hast auf solche „Features“ verzichtet, sind es trotzdem 3.5er oder nur auf die Gehäusemaße bezogen?
Viele Grüße
Tengo
Autor
Hallo,
dle Alice 3.5a funktionieren sehr gut im Nahfeld. Dabei ist es natürlich wichtig, dieses etwas besser zu definieren. Dass es keine Kopfhörer sind, und dass 20-30cm sicher zu wenig sind, dürfte klar sein. In üblicher Nahfeldposition sollte es aber keine Probleme geben. Die Alice 3.5a sind, wie ich im Artilkel schrieb, eine moderne Interpretation des Klassikers. Dabei wurden die Maße, die Größen der Chassis und die geschlossene Bauweise beibehalten. Die Fehler und Unzulänglichkeiten des Originals bringt die Alice 3.5a natürlich nicht mit.
VG Alex
Hallo Alexander,
Materialstärke 16mm?
Gruß
Autor
Hallo Seb,
exakt, so steht es auch im Plan…
Gruß Alex
Nahfeld und geschlossene Box. Wenn es jetzt noch etwas mehr Dynamik bzw. das korrekte Wort ist glaube ich Impulskontrolle / -Geschwindigkeit hat, ist es dam Original um Längen überlegen.
Autor
Hallo Christian,
das Original ist ja ebenfalls geschlossen. Die Geschichte mit „Geschwindigkeit“ oder Schnelligkeit bei Lautsprechern ist ein altes Märchen… 😉
Viele Grüße
Alex