Es ist schon eine Weile her, dass muss ich zugeben, als mir Nico Germanos vom Tymphany Vertrieb Quint in Senden einige Chassis in die Hände drückte. So lange sogar, dass ich allmählich ein schlechtes Gewissen hatte, noch nichts damit gemacht zu haben. Und dann war da plötzlich wieder einer der Abende, an denen ich einfach ins Blaue hinein irgendwelche Simulationen erstelle. Ich entsann mich einiger der überlassenen Chassis und machte mich daran, die Amplituden- und Impedanzverläufe aus den jeweiligen Datenblättern zu tracen und in Boxsim zu importieren. Jaja, ich weiß, das wird nix, und solche Simulationen haben in der Praxis, nicht nur wegen fehlender Phaseninformationen, keinen Wert. Um die Genauigkeit geht es mir bei solchen Simulationen auch gar nicht. Vielmehr nutze ich sie, um Tendenzen zu erforschen. Wenn der Amplitudenverlauf aus den Datenblättern nämlich der Realität entspricht, lässt sich die Frequenzverbiegung aus der Simulation auch in der Praxis herstellen, mit welchen Bauteilewerten auch immer. Jedenfalls versprach die auf diese Weise anfertigte Simulation, dass sich die Chassis ggfs. mit einer Beschaltung 1. Ordnung zu einem recht interessanten Desktop Lautsprecher verheiraten lassen.
Im Tiefmitteltonbereich kommt der Tymphany HDS-P830992 zum Einsatz. Dies ist ein Chassis mit einem sehr strömungsgünstig geformten Gußkorb und einer stabilen Fiberglas-Verbundstoffmembran. Die TSP weisen ihn nicht unmittelbar als Kandidaten für den Bassreflexeinsatz aus, doch bekanntlich führen viele Wege nach Rom.
Tymphany HDS-P830992
Datenblatt mit TSP, Amplituden- und Impedanzverlauf
Tymphany HDS-P830992 in 6 Litern BR
Im Hochtonbereich wird der kleine Schwerarbeiter von einer ganz aktuellen Aluminiumkalotte des gleichen Herstellers abgelöst. Bei der DA25BG08 kann der Anwender zwischen 3 Nennimpedanzen wählen. Das Chassis wird in 4, 6 und 8 Ohm Ausführung angeboten. Allen gemein ist eine massive Alu-Frontplatte und das Schutzgitter, welches ein Diffusorscheibchen aus durchsichtiger Folie trägt. In der MI 6 kommt die 8 Ohm Variante zum Einsatz.
Da Tymphany nur noch die 6 Ohm Variante des Hochtöners ausliefert, wurde eine alternative Beschaltung dafür entwickelt. Diese findet sich im weiteren Verlauf dieses Artikels.
Tymphany DA25BG08-08
Datenblatt mit TSP, Amplituden- und Impedanzverlauf
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Die Beschaltung eines Lautsprechers mit Filtern 1. Ordnung mag auf den ersten Blick einfach erscheinen. Lediglich eine Spule als Tiefpass für den Tiefmitteltöner und ein einziger Kondensator als Hochpass klingen durchaus verlockend. Leider ist die Realisierung nicht ganz so einfach, wie sie in der Theorie scheint. So gibt es auf dem Weg zum Erfolg einige Klippen, die umschifft werden wollen. Zunächst einmal müssen die Chassis einen möglichst linearen Amplitudenverlauf aufweisen, der innerhalb seines Nutzbereiches keinerlei Korrekturen bedarf. Auch den Baffle Step darf man nicht außer Acht lassen. Ferner empfiehlt es sich, dem Filter auch elektrisch beste Arbeitsbedingungen zu bieten. Dazu werden die Impepdanzverläufe der Chassis linearisiert. Schauen wir uns zunächst die nicht linearisierten Impedanzverläufe der eingebauten Chassis an:
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Impedanzverlauf Tymphany HDS-P830992 nicht linearisiert
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Die Impedanz des Chassis steigt, bedingt durch die Schwingspuleninduktivität, zu hohen Frequenzen hin an. Diese Tatsache sorgt dafür, dass ein Tiefpassfilter nicht wie vorgesehen arbeitet. Die Filterwirkung sinkt mit zunehmendem Impedanzanstieg zu höheren Frequenzen hin. Um den Impedanzanstieg zu linearisieren, sind zwei Bauteile nötig, ein Kondensator und ein Widerstand. Diese beiden Bauteile werden zunächst in Reihe geschaltet und dann gemeinsam parallel zum Tiefmitteltöner. Die beiden Impedanzhöcker im Tieftonbereich bleiben von der vorzunehmenden Korrektur unberührt. Sie sind weit genug von der angestrebten Trennfrequenz entfernt und wirken sich nicht störend auf die Filterwirkung aus. Im Falle des HDS-P830992 führen 15µF und 6,8 Ohm zu einer hinreichend glatten Impedanzkurve.
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Schaltung Impedanzlinearisierung Tymphany HDS P-830992
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Impedanzverlauf Tymphany HDS-P830992 nach Linearisierung
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Um einen Impedanzhöcker, wie ihn ein Hochtöner aufweist, zu egalisieren, bedarf es einer schmalbandigen Schaltung, die den Impedanzverlauf vor und hinter dem Höcker möglichst unberührt lässt. Hierzu sind 3 Bauteile notwendig. Zu der Reihenschaltung aus Kondensator und Widerstand gesellt sich zusätzlich eine Spule. Dieses auch Kerbfilter genannte Gebilde wird parallel zum Chassis geschaltet. Für die DA25BG08-08 benötigt man 18µF, 11-12 Ohm und 2,7 mH für eine nahezu perfekte Linearisierung des Impedanzhöckers. Die 11-12 Ohm addieren sich aus dem Induktiven Widerstand der eingesetzten Spule und dem physisch eingelöteten Widerstand. Betrachten wir auch hier zunächst die nicht korrigierte Impedanzkurve des Hochtöners:
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Impedanzverlauf Tymphany DA25BG08-08 nicht linearisiert
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Schaltung Impedanzlinearisierung Tymphany DA25BG08-08
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Impedanzverlauf Tymphany DA25BG08-08 nach Linearisierung
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Die Wirkung der Impedanzkorrekturglieder in Bezug auf den Amplitudenverlauf ist in den nachfolgenden Fotos sehr schön nachzuvollziehen.
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Tymphany HDS-P830992 unbeschaltet
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Tymphany HDS-P830992 beschaltet ohne Impedanzkorrektur
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Tymphany HDS-P830992 beschaltet mit Impedanzkorrektur
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Es wird deutlich, dass die Flanke erst durch das Hinzufügen der Impedanzkorrektur den gewünschten Verlauf annimmt. Ebenso verhält es sich bei der Beschaltung des Hochtöners.
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Tymphany DA25BG08-08 unbeschaltet
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Tymphany DA25BG08-08 beschaltet ohne Impedanzkorrektur
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Tymphany DA25BG08-08 beschaltet mit Impedanzkorrektur
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Die Unterschiede zwischen der Beschaltung mit und ohne Impedanzkorrektur sind in diesem Beispiel marginal, jedoch führt diese Korrektur zu einem besseren Amplitudenverlauf der gesamten Box.
Die Simulation ist jedenfalls vielversprechend und zeigt einen, gemessen an der einfachen Beschaltung, sehr ausgewogenen Amplitudenverlauf mit ordentlichem Rundstrahlverhalten.
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Simulation MI 6 unter Winkeln 0° – 45°
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Im nächsten Schritt galt es, die Simulation messtechnisch zu verifizieren. Dazu wurde die simulierte Weichenschaltung auf meinem bewährten Entwicklungsbrett zusammengesteckt. Das Ergebnis stimmt mit der Simulation erwartungsgemäß gut überein.
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Messung MI 6 unter Winkeln 0° – 45°
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Die minimalistische Beschaltung führt zu leichter Kost für alle infrage kommenden Verstärker.
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Impedanzverlauf MI 6
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Klirr spielt bei der MI 6 auch keine erwähnenswerte Rolle. Hier spiegelt sich die Qualität der verwendeten Chassis wider.
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Klirr @ 90dB
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Weichenplan für den 8 Ohm Hochtöner (MK1 Version)
Weichenplan für den 6 Ohm Hochtöner (MK2 Version)
Die gemessenen Frequenzgänge der beiden Versionen sind nach der Modifikation der Weiche quasi deckungsgleich. Die minimalen Unterschiede darf man getrost auf dem Konto Toleranzen verbuchen.
Messung 8 Ohm HT (rot) vs. 6 Ohm HT (blau) vor Modifikation der Frequenzweiche
Messung 8 Ohm HT (rot) vs. 6 Ohm HT (grün) nach Modifikation der Frequenzweiche
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Bauplan MI 6
Die Baupläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt.
Natürlich ist der Einsatzbereich der MI 6 nicht allein auf den Desktop beschränkt. Sie funktioniert in nicht allzu großen Räumen auch wandnah auf einem Ständer stehend hervorragend. Dies hat sie am 07.10.2017 während des DIY-Lautsprecher-Treffens bei Quint-Audio in Senden eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
DIY-HiFi Forum User RdS schrieb:
Ich fand sie wirklich gut!!
User Black Devil resümiert im HiFi-Forum:
MI-6 legte im kleinen Hörraum gleich mal sehr beeindruckend los. Auch auf den Ständern war ausreichend Bass da, Mittelhochtonbereich richtig schön. Tolles Ding für Schreibtische, Lowboards oder kleine Räume.
Nico Germanos von Quint Audio schrieb im DIY-HiFi Forum:
Erstaunt hat mich ein kleiner Coax und ein Kleinlautsprecher von Alex.
Alex neuer Kleinlautsprecher klingt erstmal sehr sehr groß. Wir hatten einen potenten Subwoofer im Raum, weswegen ich annahm, dass der mitlief. War aber nicht so. Das kleine Ding ist ein super Standlautsprecherersatz, wenn man auf abartige Pegel verzichten kann.
Olaf M. schreibt in unserer FB Gruppe:
Der Klang ist, angesichts des Preises, fantastisch. Eine solche Bühne mit genauer Ortung habe ich bisher noch nicht erlebt. Das Geschehen löst sich total von den Lautsprechern und der Bass ist überraschenderweise satt, durchaus tief und klar definiert. Nicht zu glauben….vielen Dank Alex für diesen tollen Bauvorschlag!!!
12 Kommentare
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Hallo! Wie sieht es denn mit den Verfügbarkeit der Komponenten aus? Vor allem der Hochtöner? Hab irgendwo gelesen, dass eine Version mit dem 6 Ohm Hochtöner in der Mache ist…. Wie sieht es denn da aus? Hätte große Interesse, die Box nachzubauen 🙂
LG Oliver
Autor
Hallo Oliver,
die Version mit dem 6 Ohm HT wird kommen. Die HT liegen bereits eine Zeit hier im Regal und warten auf ihren Einsatz.
Viele Grüße
Alex
Frohe Weihnachten,
dann bin ich der 2..
Bin auch sehr interessiert.
Gruss Rolf
Lieber Alex,
Der 8-Ohm-Hochtöner ist derzeit nicht verfügbar. Ist eine Einstellung möglich, damit der 6 Ohm Hochtöner verwendet werden kann?
Vielen Dank im Voraus, Marcel (Niederlande)
Autor
Hallo Marcel,
die MK2 Version mit dem 6 Ohm HT habe ich heute fertiggestellt.
Viele Grüße, Alex
Hallo.
Ich habe die Original (8Ohm Hochtöner) MI6 nachgebaut und sie gefallen mir. Der Sound ist knackig, fetzig, beschwingt und lädt einen regelrecht zum tanzen ein ob man es nun möchte oder nicht. Ich habe auch 2-Wege Diy Lautsprecher im Repertoire, bei denen ein Treiber fast so viel kostet, wie 2 komplette MI6, die laden einen nicht zum Tanz ein, sondern zum sinnieren über das Gehörte. Das muss beizeiten auch sein. Gepflegte Langweile sozusagen. Stöpselt man dann aber wieder die MI6 an den Amp, kommt man ins Grübeln, ob Lautsprecher Musik möglichst perfekt und haargenau, wiedergeben müssen oder ob nicht vielmehr die Musikalität im Vordergrund steht. Ich habe bis jetzt keinen Lautsprecher gebaut und gehört, der beides kann. Die MI6 allerdings sind verdammt musikalisch, keine Spur von Langweile, dabei kommt einem auch nichts in den Sinn was man vermisst, sofern man kein Tiefbassmonster erwartet. Was zudem für sie spricht ist ihr Allround-Talent, ein Musik-Genre das für Überforderung sorgt, konnte ich nicht finden.
Eine Frage hätte ich jedoch trotzdem noch und ich hoffe, dass sie nicht falsch ankommt, den was ich schrieb meine ich auch. Es ist lediglich so, dass meine Fledermaus-Ohren (höre bis 17.5khz) mich dazu zwingen, dich zu fragen welche Option ich habe, wenn ich den Hochton etwas bändigen möchte.
Grüße Max
Autor
Hallo Max,
du kannst die Intensität des Hochtonanteils über den Spannungsteiler, den die 4,7 Ohm und 5,6 Ohm Widerstände bilden, einfach regulieren. Dabei gilt, je höher der Reihenwiderstand und niedriger der Parallelwiderstand sind, desto leiser wird der Hochton. Die Veränderung des Reihenwiderstands wirkt sich mehr auf den oberen Hochtonbereich aus. Der Parallelwiderstand greift eher in Richtung der Trennfrequenz. Im ersten Schritt würde ich den 4,7 Ohm Reihenwiderstand mit dem 5.6 Ohm tauschen. Sollte dir der Hochton dann zu leise sein, ersetze den nun parallelen 4,7 Ohm Widerstand mit einem 5,6 Ohm Widerstand, den du dann zukaufen müsstest.
Viele Grüße
Alex
Well done! Ein herzliches Danke für die Veröffentlichung und auch für die wertvollen Links! Nach meinen D’Appolitos mit Satori Chassis fällt mir auf: weniger und weniger tiefer Bass (das war vorher auch zu viel für meinen Raum weswegen sie gehen müssen) und weniger Grobdynamik. Auf der Habenseite: es klingt weniger nach Gehäuse, bessere räumliche Darstellung, vergleichbarer Detailreichtum und Langzeittauglichkeit. Ich mag die Dinger, das Zuhören bereitet Freude.
Autor
Herzlichen Dank für das liebe Feedback.
Kleiner Nachtrag: habe jetzt meine Stands mit Sand gefüllt, wie Dynaudio das als Option vorsieht. Und siehe da: in jeder Disziplin (wirklich jeder) nochmal besser, ich glaube es kaum. Den Kommentar mit dem Subwoofer verstehe ich nun auch. Dann noch die Preise in Frankreich für die Peerless Zutaten…
Macht genau weiter so und wenn ihr Erfahrungen beim Gehäusematerial gesammelt habt, würde mich das sehr interessieren. Nachdem der Einfluss des Sandes in den Stands so hörbar ist, würde ich an dieser Stelle gerne gezielt optimieren.
Nur eine kleine Frage…
Kann es sein, dass bei der originalen Weiche vor allem Elkos eingesetzt wurden und keine MKPs?
Ich frage nur, weil es in dem kleinen Gehäuse doch sehr eng wird.
Autor
Nur eine kleine Antwort 😉
Wie im Bauplan ersichtlich, wurde nur der vor dem Hochtöner liegende Kondensator als MKP (Cross Cap) ausgeführt. Alle anderen Kondensatoren sind Elkos, weil Folien in den Korrekturgliedern nur dem Händler einen Vorteil bieten. Er macht dadurch mehr Umsatz.