Seit meiner frühen Jugend faszinieren mich die sagenumwobenen Chassis des japanischen Herstellers Coral, der leider in den späten 80er Jahren seine Produktion einstellen musste. Die findigen Japaner boten vom Kleinlautsprecher über HiFi-Chassis bis zum PA-Lautsprecher ein vollumfängliches Portfolio. Besonders um die wunderschönen Breitbandlautsprecher ranken sich Mythen. Im vorliegenden Fall habe ich mich mit einem sehr gut erhaltenen Paar Chassis des Typs „Beta 8“ beschäftigt. Schon damals waren die Coral Leute offenbar ihrer Zeit ein Stück weit voraus. Warteten viele Chassis aus dieser längst vergangenen Zeit meist mit Körben auf, deren Fenster viel kleiner waren als die Membranfläche, dachten die japanischen Ingenieure weiter. Filigrane und dennoch stabile Korbstreben boten nicht nur optischen Genuss. Sie ließen durch ihre strömungsgünstige Form der Membran auch genug Luft zum atmen.
Coral Beta 8
Die Breitbänder verfügen über eine leichte Papiermembran mit zusätzlichem Schwirrkonus. Im Zentrum befindet sich ein metallener Phaseplug, dessen Form an eine Zitronenpresse erinnert. Eine weitere Besonderheit bildet die inverse Textilsicke.
Natürlich findet man im Internet die eine oder andere Angabe zu den TSP. Leider gehen diese Angaben recht weit auseinander. Coral fertigte das Chassis wohl in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Die vorliegenden Exemplare wurden deswegen zunächst einer TSP Messung unterzogen.
Coral Beta 8 TSP
Das hätte ich nicht erwartet. Die TSP Messung der beiden Probanden offenbart eine extrem hohe Paargleichheit. So geringe Abweichungen sind selbst bei aktuellen Chassis nicht selbstverständlich. Wenn man dann noch das Alter der Chassis berücksichtigt. Chapeau…
Der TSP Satz weist in der Simulation etwa 60 Liter als optimales Volumen für den Beta 8 aus.
Coral Beta 8 in 60 Litern BR
Mit noch mehr Volumen im Rücken ginge es theoretisch noch etwas tiefer in den Keller. Da aber die Hubfähigkeit des Chassis eher gering ist, sollen die zur Verfügung gestellten 60 Liter einen guten Kompromiss darstellen. Noch bessere Bedingungen fände der Beta 8 in einem Backloaded Horn, was mir persönlich aber, nicht zuletzt wegen der enormen Größe, nicht zusagt. So landete der schmucke Japaner in einem Gehäuse, dessen Dimensionen auch an die „gute alte Zeit“ erinnern.
Die Messungen des unbeschalteten Chassis ließen schnell erkennen, dass es hier mit ein oder zwei Sperrkreisen nicht getan ist, wenn das Ergebnis zum genussvollen Musikhören taugen soll.
Coral Beta 8 auf Achse unbeschaltet
Ja, man kann natürlich versuchen, das wilde Panorama mit einer einfachen Schaltung aus Spule und Widerstand zu zähmen. Vielleicht noch ein kleiner Sperrkreis zusätzlich, und fertig ist die Box. Leider führt das nicht zum gewünschten Ergebnis. Seien Sie versichert, ich habe es in unzähligen Varianten versucht. Es war absolut notwendig, eine deutlich aufwendigere Schaltung aufzufahren. Was in der Simulation noch recht einfach zu bewerkstelligen war, erwies sich in der Praxis als kaum zu bewerkstelligen. Da die Korrekturglieder teils sehr schmalbandig arbeiten müssen, spucken bereits kleine Bauteiletoleranzen mächtig in die Suppe. Erschwerend kommt hinzu, dass die zu korrigierenden Bereiche teilweise so eng beeinander liegen, dass sich die jeweiligen Baugruppen gegenseitig beeinflussen. Diese Umstände führten dazu, dass ich mich von der sehr guten Linearität, die sich in der Simulation erzielen ließ, verabschiedete. Stattdessen wurde bei der Entwicklung „on the fly“ darauf geachtet, den tonal wichtigen Bereich weitgehend linear zu gestalten.
Coral Beta 8 Simulation
Coral Beta 8 beschaltet 0°
Man kann sehen, dass in der realen Messung ein kleiner Peak zwischen 4 und 5kHz stehen bleibt. Es mag einfach aussehen, aber der Versuch, dieser Kleinigkeit mit einer weiteren, bzw. veränderten Korrektur auf den Pelz zu rücken, scheitert. Nun, es handelt sich um ein Breitband-Chassis, und hier gilt es zu prüfen, wie sich das ganze unter Winkeln verhält. Nicht umsonst wurde der eigentlich zu laute Hochtonbereich nur moderat beschaltet. Voilà, unter einem Abhörwinkel von etwa 10° stellt sich eine sehr gute Linearität ein.
Coral Beta 8 beschaltet 10°
Eine Vergrößerung des Abhörwinkels auf 20° führt bereits zu massivem Abfall des Hochtonbereichs.
Coral Beta 8 beschaltet 0° – 20°
Bei noch größeren Winkeln wird es unschön, und es kommt zu deutlichen Störungen. Ein Tribut an die große Membran.
Der Impedanzverlauf gestaltet sich durch die sehr aufwendige Beschaltung sehr unruhig, was den Lautsprecher für den Betrieb an einer Transistorendstufe prädestiniert.
Coral Beta 8 beschaltet Impedanzverlauf
Die BR Abstimmung liegt im obigen Beispiel noch ein wenig zu tief. Dazu muss der Port noch ein wenig gekürzt werden.
Wie bereits erwähnt, ist die Beschaltung dieses außergewöhnlichen Breitband-Chassis nicht trivial. Um das vorliegende, gute Ergebnis zu erzielen ist folgende, durchaus sehr aufwendige Beschaltung vorgenommen worden.
Coral Beta 8 Weichenplan
Auch, wenn es eher unwahrscheinlich ist, einen Nachbauer für den „Japanese Boy“ zu sensibilisieren, gibt es an dieser Stelle den Bauplan. Natürlich könnte man das auch relativ easy binnen weniger Minuten mittels eines DSP glatt bügeln. Das ist aber keine wirkliche Herausforderung für mich, und es macht mir keinen Spaß.
Wie klingt’s denn so? Nun, ich bin kein Freund von Breitbändern, erst recht nicht von solch großen, wie dem Beta 8. Ich war schon irgendwie gespannt. Also, Kisten irgendwie positioniert, angeschlossen und leise No Sanctuary angespielt. Sekunden später musste ich das lauter machen und noch lauter. Ich habe schon sehr laut, aber keine schreienden Pegel gehört, weil ich einfach die Chassis nicht beschädigen möchte. Es gibt halt kaum Ersatz und wenn, dann teuer. Ob es dann die gleiche Ausführung / Charge ist, weiß man auch nicht. So folgten noch eine Menge anderer Lieder, wie Crazy Penis, Still Euge, Storm Warning und andere Lieder.
Was soll ich sagen? Ok, man muss sich auf die Dinger einlassen. Die Bühne ist irgendwie anders als gewohnt. Bei Chris Jones war ich irritiert. So exakt auf der Bühne festnageln konnte ich ihn bislang bei keinem anderen Lautsprecher. Man muss allerdings ausrichten. Da machen ein paar Grad schon einen Unterschied. Natürlich gibt es feinsinnigeres, aber die Kisten laufen gut. Richtig gut würde ich sagen.
Wie gesagt, Mehrwege-Kisten machen vieles richtiger, aber eben anders. Ich bin sehr positiv überrascht, und das, was ich heute gehört habe, habe ich in gar keiner Weise auch nur annähernd erwartet.
Ich bezeichne das Experiment mit dem Coral Beta 8 als geglückt. Der Lautsprecher weiß definitiv zu begeistern und Spaß zu machen.
Tom Bausha schreibt nach einer Hörsession:
Als ich gestern kam, haben wir erstmal Alex Japanese Boys gehört. Klasse abgestimmt, da nervt nix! Aber: das Hörerlebnis müsst Ihr selbst machen. Habe noch nie solch einen LS gehört, auf den muss man sich erstmal einlassen; und die Boys sind irre Sweetspot-LS. Die Chassis sind 40 Jahre alt und müssen sich, so abgestimmt, nicht hinter modernen verstecken. Langzeittauglich, kommen mit verschiedensten Musikrichtungen klar. Einzige echte Kritik, die Alex mir sicher aber nicht übel nehmen wird, ist, dass sie mit der Abstrahlcharakteristik vermutlich nicht als Alltags-LS taugen. Das ist aber nix, was man beeinflussen kann; das sind eben die Chassis.
6 Kommentare
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Ich hab nach langem Überlegen und wegen des Vorhandenseins der Coral Beta 8 das oben gennante Konzept peinlich genau vollzogen. Ich hab die Speaker schon seit 1988, hatte sie als Projekt eines Essener Hifi-Studios in einem Designgehäuse gekauft, Effektives Volumen ca. 30 Liter, aber optisch ein echtes Highlight. Aus der Box kam kein Druck und ohne Weiche auch ein sehr dünner, mitten- und Höhenlastiger Sound. Jetzt sitz ich hier vor den frisch verleimten Boxen und weiss nicht ein noch aus, was die Coral Beta 8 für einen wahnsinnigen Sound abliefern können. Vielen Dank für die Veröffentlichung des neuen Coral Beta 8 Projektes. Ich bin hellauf begeistert.
Autor
Hallo Markus,
nie im Leben hätte ich geglaubt, dass sich einmal jemand findet, der dieses Projekt nachbaut. Das freut mich wirklich sehr, und ich bedanke mich in aller Form für das tolle Feedback. Die Beta 8 sind wirklich feine Breitbänder, die aber viel Mühe bei der Abstimmung benötigen. Schön, dass Sie nun Freude an den schönen Stücken haben.
Viele Grüße
Alex
Hallo Alex,
vielen Dank für Deine Abhandlung und Bauanleitung zu Japanese Boy mit Coral beta 8. Ich hatte noch einen seit den 80ern im Keller, der 2. war leider schon lange kaputt. Bei der Überlegung was tun mit dem schönen Einzelstück fand ich Deinen spannenden Beitrag und begann sogleich das Projekt „Detmolder Coral Beta Boy“.
Mit MDF Platten die ich noch im Keller hatte entwarf und baute ich eine schlanke hohe 60 Liter Box 291 x 1.140 x 257 mm BHT, Coral oben, Bassreflex Loch unten.
Trotz meiner Ängste dass der schöne Coral hinüber ist (Batterietest bestanden) habe ich das Gehäuse fix und fertig gebaut, geschliffen und weiss lackiert.
Flansch und Dichtung waren nicht mehr vorhanden, also selber was aus Multiplex basteln, mit Teerpappe die Innenräume dämpfen, Verstrebungen und Dämmung rein und angeschlossen…boh ey, der geht noch und ich bin begeistert von dem guten, klaren Klang.
Das grosse Volumen und das grosse Bassreflex Rohr sind wahrscheinlich das Geheimnis für die erstaunlich satte Basswiedergabe.
Mit dem sehr engen Abstrahlbereich der Höhen kann ich leben, da ist die Höhe von 1,2m von Vorteil.
Auf die ausgeklügelten Frequenzweichen aus Deiner Abhandlung habe ich ganz verzichtet, nach dem Motto „in der Beschränktheit zeigt sich der Meister“.
Erstaunlich was aus so einem elektronisch und konstruktiv so einfachem Gebilde für ein Ton kommt.
Zuerst war mein Plan nachzuweisen dass der Coral noch gut funktioniert um ihn dann zu verkaufen aber ich glaube ich behalte das schöne Teil…
Autor
Hallo Ulrich,
schön, dass du den offenbar intakten Beta 8 zu neuem Leben erweckt hast. Schade nur, dass es sich leider um ein Einzelstück handelt. Unbeschaltet ist der Lautsprecher in meinen Ohren unerträglich, aber wenn es dir so gefällt, wünsche ich dir jedenfalls viel Freude mit deinem Aufbau.
Viele Grüße, Alex
Hallo Alex
sehr schöner Beitrag. Leider verstehe ich von Technik nichts.
Eventuell könnte man ein ähnliches Gehäuse für meine 10 “ Fieldcoil Lautsprecher realisieren. Es handelt sich um alte Telefunken field coil speaker welche Herr Rullit überarbeitet hat. Bisher betreibe ich die Lautsprecher in einem vergrößerten Cello Resogehäuse. Da mir etwas Bass fehlt, habe ich an ein Bassreflexgehäuse gedacht. Die Lautsprecher gehen sehr hoch bis ca. 12000 Hz. Einen Hochtöner benötigen Sie eigentlich nicht. Um mehr Hochton zu erreichen könnte man noch einen Saba Biegewellen-Hochtöner über einen Kondensator ankoppeln.
Was meinst Du zu meinem Vorhaben? Es würde mich sehr freuen, wenn Du mir ein den Plan für ein geeignetes Lautsprechergehäuse mit Simulation erstellen könntest. Auslagen für Deine Bemühungen würde ich natürlich begleichen.
Mit besten Grüßen
Autor
Hallo namenlose Person,
vielen Dank für die Blumen. Um ein passendes Gehäuse für das angesprochene Chassis zu dimensionieren, müssten zunächst weitere Einzelheiten darüber bekannt sein. Dafür ist der TSP Satz elementar. Leider ist es so, dass bei einem Feldspulenantrieb die TSP mit der angelegten Versorgungsspannung variieren. Vorteil dieser Möglichkeit ist, dass man die Spannung so anpassen kann, dass sich ein möglichst brauchbarer TSP Satz einstellt. In der Praxis ist das aber nicht so einfach, wie es scheinbar klingt. Die einzelnen Parameter sind über ein mathematisches Modell miteinander verbunden, so dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Zudem wäre es auch wichtig, etwas über die Hubfähigkeit des Chassis zu wissen. Wahrscheinlich existieren aber keine diesbezüglich aussagekräftigen Datenblätter, und den Wert über die Zerstörung des Chassis zu ermitteln, schließt sich als gangbare Option von vornherein aus. Die Frage, ob ein bis zu den genannten 12kHz nutzbarer Frequenzumfang ausreicht, kann nur jeder für sich individuell beantworten. Ein mittels eines simplen Kondensators eingebundener Hochtöner ist jedenfalls in keinem Fall eine sinnvolle Lösung. Das zu erwartende Resultat ist unter HiFi Gesichtspunkten nicht brauchbar. Das gilt übrigens allgemein und ist nicht nur bei Verwendung des Feldspulenchassis so. Um einen Hochtöner einzubinden, müsste zunächst ein solcher gefunden werden, der in ein zu bestimmendes Konzept passt. Ferner wäre dann eine sinnvolle Trennfrequenz zu finden, die zu einem brauchbaren Abstrahlverhalten führt. Alles in allem ist das leider kein ganz triviales Unterfangen, aber grundsätztlich kann das machbar sein. Allerdings finde ich für eine solche Aufgabe in der nächsten Zukunft keinen Freiraum, so dass ich leider keine HIlfe anbieten kann.
Gruß, Alex